Koller Buchmalerei, Autographen & Manuskripte Dienstag, 24. September 2019, 16.30 Uhr

| 124 502 Anonymer deutscher Buchmaler, um 1310. Bildinitiale Cmit Christus (sendet die Apostel aus) aus einemAntiphonar. Tempera, Gold- und Silberhöhung auf Pergament, beidseitig beschrieben. Regensburg, ca. 1310. Initiale 8,8 x 8,3 cm; Schriftspiegel 34,5 x 26 cm; Blattgrösse ca. 46,5 x 37 cm (unregelmässig). 16 Zeilen schwarzbraune Textura und Quadratnoten auf jeweils 4 Zeilen. Fachmännisch gerahmt (58 x 49 cm). Literatur: - Kidd, Peter. The McCarthy Collection, Vol. 2, London, 2019 (imDruck). - Suckale, Robert. "The ‘Sweet Style’ in Regens- burg: An Addition to the Leaves from the early Fourteenth-Century Antiphonary from the Do- minican Convent of the Holy Cross.", in: Harvard Library Bulletin 21.2, 2010, S. 45-52. - Harrsen, M. Central European Manuscripts in the Pierpoint Morgran Library. New York, 1958, S. 47. - Miner, D. und S. Ricci. "Western illumination manuscripts acquired since 1934.", in: Journal of the Walters Art Gallery 29/30 (1966/67), S. 87-90. - Nordenfalk, Carl. Bokmalningar fran medel- tid och renässans I Nationalmusei samlingar. Stockholm, 1979, Nr. 10. - Regensburger Buchmalerei: Von frühkarolin- gischer Zeit bis zumAusgang des Mittelalters. Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Museen der Stadt Regens- burg. München, 1987. - Stange, Alfred. "Studien zur oberrheinischen Malerei um 1300.", in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Nr. 9 (1932), S. 17-48. - Beer, Ellen J. Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei in der ersten Hälfte des 14. Jahr- hunderts unter besonderer Berücksichtigung der Initialornamentik. Basel and Stuttgart 1959. Text recto: "Ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum; estote ergo prudentes sicut serpents et simplices sicut columbae. 1. Resp. 1. Noct. St. Bartolomäus und Barnabas (11. Juni)". Die auf ersten Blick schlichte Bildinitiale E mit der Darstellung des Christus auf Goldgrund ist in ein rechteckiges rotumrandetes Initialfeld aus Silberfolie integriert. Der Stil der in starken Farben gehaltenen Miniaturen scheint nicht direkt an die Buchmalerei in Regensburg gebun- den und verrät Anleihen and die französische Kunst, nicht zuletzt an die Glasmalerei von Paris. So sind die Figuren ähnlich der Glasmalerei innerhalb starker schwarzer Konturen artiku- liert, während die Gesichter innerhalb bleicher Fleischtöne sanft, fast unmerklich modelliert sind. Stilistisch verbinden sich die Miniaturen mit den Malereien in einemMissale und Breviars aus Regensburg in der Bayerischen Staatsbiblio- thek in München (Clm 28802) und Minneapolis Institute of Arts inv.nr.23.66. Diese Werkstätten sind womöglich in der Region des Oberrheins ansässig gewesen und wurden für die künstle- rischen Aufgaben der religiösen Institutionen Regensburgs beigezogen. Der Stil entspricht der Stilstufe des neuen süssen Stils, wie er sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts ähnlich auch in Zürich und Sankt Katharinental und Konstanz entwickelt hatte. Damit gehören das Antipho- narblatt und die dazu gehörenden Schwes- terblätter zu den qualitativ hervorragendsten Erzeugnissen der frühen deutschen Buchmale- rei zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Suckale (2010) konnte 13 weitere Blätter dieses Antiphonars mit dem proprium de tempore und dem proprium de sanctis identifizieren und drei weitere Blätter tauchten in jüngerer Zeit im Handel auf: 1. Stockholm, NationalmuseumNMB 2328, Ernest Erickson Foundation, Med.1: Initiale A mit Jesaiah. 2. Stockholm, NationalmuseumNMB 2328, Ernest Erickson Foundation, Med.2: Ornamen- tale Initiale E. 3. New York, Morgan Library, MS M. 870.1: Initiale H mit Geburt Christi. 4. England, Private Collection: Initiale S mit Sankt Stefanus. 5. England, Private Collection: Initiale Cmit Bethlehemitischem Kindermord Innocents. 6. Baltimore, Walters Art Gallery, MS W.754a: Initiale E mit Beschneidung Christi 7. Stockholm, NationalmuseumNMB 2328, Ernest Erickson Foundation, Med.3: Initiale Hmit Taufe Christi . 8. Cambridge, Harvard University, Houghton Library, MS Typ 961: Initiale Amit– Darbringung imTempel. 9. New York, Morgan Library, MS M. 870.2: Initiale D Martyrium des Andreas 10. Baltimore, Walters Art Gallery, MS W.754b: Initiale S Kathedra Petri. 11. New York, Morgan Library, MS M. 870.3: Initiale D Sankt Agnes. 12. Stockholm, NationalmuseumNMB 2328, Ernest Erickson Foundation, Med.4: Initiale Q Bekehrung des Paulus. 13. Haversham, Rhode Island, Collection of Philippe Verdier (ehemals): Initiale D mit den Heiligen Lucia und Agatha. 14. Schweizer Privatbesitz: InitialeI mit der Erschaffung der Eva. 15. Schweizer Privatbesitz, Initiale Omit Kreu- zigung. 16. Schweizer Privatbesitz, Initiale Cmit Chris- tus imGarten Gethsemane Während der Text, wie die Inschrift imHeiligen- schein des stehenden Christus anzeigt, sich auf Bartolomäus beziehen soll, ist die Darstellung eher als Christus zu verstehen. Die stehende Fi- gur entspricht nicht dem Kanon der Bartolomä- us Darstellungen, sondern der Ikonographie des Erlösers. Der nach rechts gewandte Gestus seiner Hände scheint auf die Entsendung der (nicht mitdargestellten) Apostel zu verweisen und wäre so die Verbildlichung des Textes "Ecce mitto vos..." (ich entsende Euch wie Lämmer unter die Wölfe...). Etwas gewölbt, in den weissen Rändern leicht fleckig, oberhalb der Initiale leicht gewellt, an den seitlichen Rändern kleine Löchlein von der Pergamentbehandlung. Insgesamt aber sehr sauber und in sehr guter Erhaltung. Provenienz: - Vorliegendes Blatt ist Teil eines bekannten aufgebrochenen Antiphonars, das zwar aus demDominikanerinnenkloster Heilig-Kreuz in Regensburg stammte, wie neueste Forschung (Kidd, 2019) nachgewiesen hat, ursprünglich allerdings für die Franziskanerinnen von Sankt Magdalen und Klara in Regensburg geschaf- fen wurde. Auf einem der bekannten Blätter dieses Antiphonars (New York, Pierpont Morgan Library, MS M. 870.2) ist der Name “Gerwich” eingeschrieben, der womöglich auf die Stifterin hinweisen könnte. Bis 1876 befand sich das Ma- nuskript noch in der Bibliothek von Heilig-Kreuz in Regensburg, als es in der Folge durch die Auflösung der Bibliothek lange verschollen war. Spätestens 1950 war das Chorbuch aufgebro- chen als einige der Blätter imMarkt auftauchten. - Deutscher Privatbesitz. - Schweizer Privatbesitz. CHF 14 000 / 20 000 (€ 12 730 / 18 180) Buchmalerei |

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