Koller - PostWar & Contemporary 2. Dezember 2021

3403 GERHARD HOEHME (Greppin 1920–1989 Neuss) Schwebendes Blau. 1955. Öl auf Leinwand. Unten links signiert: Hoehme, sowie am linken Seitenrand bezeichnet: Erica 55/56. Auf dem Keilrahmen signiert, adressiert, betitelt und datiert: G. Hoehme/Düsseldorf-Kaiserwerth/ Alte Landstr. 35 „Schwebendes Blau“ 1955. 112 × 202 cm. Provenienz: Privatsammlung Schweiz. Literatur: Hoehme, Margarete/Kunstmu- seum Bonn/Ronte, Dieter et. al.: Gerhard Hoehme. Catalogue raisonné, Ostfildern 1998, S. 68f., Nr. 55-05 (mit s/w Abb.). Gerhard Hoehme gehört nach demZwei- ten Weltkrieg in Deutschland zu den wich- tigsten Vertretern der Abstrakten Kunst und dem Informel. Er entwickelt eines der eigenwilligsten und vielschichtigsten Wer- ke, die die deutsche Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennt. Bevor Gerhard Hoehme mit der Kunst anfängt, ist er Jagdflieger imZweiten Weltkrieg. Seine Begeisterung für das Fliegen beeinflusst ihn später auch stark in seiner Kunst. Mit 28 Jahren beginnt er ein kurzes Studium der Malerei an der Burg Giebichenstein in Halle und verbringt dann ein paar Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf. 1960 geht er als Stipendiat der Villa Massimo nach Rom, wo er die Bekanntschaft von Cy Twombly macht. Die spätere Begegnung mit Jean-Pierre Wilhelm ermöglicht ihm den Kontakt zu den bedeutendsten Vertretern des Pariser Informel, Jean Fautrier und Jean Dubuffet. Von 1960 bis 1984 hat er eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Düssel- dorf mit Schülern wie Sigmar Polke oder Chris Reinecke inne. Gerhard Hoehme ist Mitglied des Deutschen Künstlerbunds und gehört dessen Vorstand von 1961 bis 1963 an. Der Künstler Gerhard Hoehme bearbeitet die Farben mit unterschiedlichsten Malu- tensilien: Spachteln, Pinsel, Tropfformen. Er selbst beschreibt das Bild als ein ständig Verschiedenes im Laufe der Herstellung. Er malt, übermalt, entfernt, um es dann wieder zu übermalen. Die Leinwand ist seine Farbpalette, auf der er Farben vermischt, um neue entstehen zu lassen. Breite Pinselstriche sowie feine Tropfen unterschiedlichster Farbtöne, Herkunft und Wirkung überlagern sich und lassen ein Ensemble entstehen, das zu einer bildlichen Evidenz wächst. Im vorliegenden Werk ‘Schwebendes Blau’ von 1955 lässt sich seine wissenschaft- liche Kühle und impulsive Direktheit sehr gut erkennen, die charakteristisch für Wer- ke aus den 50er Jahren ist. Als Betrachter stehen wir vor seinemWerk und haben den Eindruck, dass unterschiedlichste Welten zusammen gebracht werden und mehrere Ebenen aufeinander zukommen. Man fragt sich, wo die Schwelle zwischen demDargestellten und der Darstellungs- ebene beginnt oder endet, wodurch die Fragestellung der Unterscheidung zwischen real und fiktiv fast unumgänglich ist. Der Kontrast der Farben, die unter- schiedlichen Ebenen und Aggregatzu- stände bewirken ein Zusammenspiel und erwecken unser Imaginationsvermögen; der Betrachter nimmt gewisse Verbin- dungen auf oder führt sogar Ideen weiter: Sehen wir vielleicht eine Landschaft aus Flugansicht, eine hervorkommende Insel imNebelmeer, eine verschneite Stadt, eine Mikroaufnahme einer organischen Zelle? CHF 20 000 / 30 000 (€ 18 690 / 28 040) | 4 PostWar & Contemporary

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