Koller View 3/21

14 Vorschau auf die Auktion Bücher und Autographen vom 29. September 2021 Rembrandt: ein Genie amAbgrund Der während Jahrzehnten gefeierte und vom Erfolg verwöhnte Rembrandt Harmenszoon van Rijn, die Lichtgestalt der europäischen Barockmalerei des «Goldenen Zeitalters» und inzwischen der National- heilige der Niederlande, starb am 4. Oktober 1669 im Alter von 63 Jahren in völlig verarmten Verhältnissen. Vom Glanz seiner besten Jahre war am Ende seiner Tage nichts mehr übrig. Der Aufstieg des Malers, Zeichners und Radierers Rembrandt war untrennbar mit seinem Umzug nach Amsterdam um 1631/32 und damit in das Zentrum der niederländischen Kunst jener Epoche verbun- den. Seine Heirat mit der aus einer wohlhabenden Patrizierfamilie stammenden Saskia van Uylenburgh im Jahr 1634 ermöglichte ihm den Betrieb einer eigenen Meisterwerkstatt. Doch Saskias Familie ha- derte bald mit dem ihrer Meinung nach verschwen- derischen Lebensstil des eingeheirateten Künstlers. Dieser wohnte nicht nur vornehm, sondern hatte auch eine Sammlung in der Art von Wunderkammern mit Hunderten Exotika, Kuriositäten und Kunstwer- ken zusammengetragen. 1642 verstarb Rembrandts Frau Saskia 29-jährig, und im Mai 1656 überschrieb er sein Wohnhaus seinem Sohn Titus. Kurz darauf wurde Rembrandts Zah- lungsunfähigkeit amtlich und ein zwei Jahre währen- der Ausverkauf seiner Vermögenswerte, vor allem seiner Kunstsammlung, nahm seinen Lauf. Das Haus und Rembrandts umfangreiche Sammlung mussten als Konkursmasse herhalten – allerdings ausgerech- net in einer Phase, in der der zuvor stark überhitzte Kunstmarkt eine kräftige Abkühlung erlebte. Aus eben jener Zeit stammt der in unserer September- Auktion angebotene Einblattdruck, auf dem die Ver- steigerung der Habe Rembrandts kundgetan wird. Es ist das ebenso zentrale wie ephemere Dokument zum finanziellen Bankrott des berühmten Künstlers. Heute ist nur noch ein weiteres identisches Exemplar dieses geschichtsträchtigen Aushangs bekannt, es befindet sich in der Sammlung des British Museum in London (Signatur: 1857,0613.990). Der Wandanschlag kündigte «de vordere Papier Kunst» sowie noch vorhandene Bestände «van der voornaemste so Italiaensche, Fransche, Duytsche FÜR WEITERE INFORMATIONEN BÜCHER & AUTOGRAPHEN Dr. Andreas Terwey terwey@kollerauktionen.ch ONLINE-KATALOGE www.kollerauktionen.ch 1 Déscription du Sacre et du Couronnement de leurs Majestés Impériales l’Empereur Alexandre II et l’Im- pératrice Marie Alexandrovna. St. Petersburg, 1856. Schätzung: CHF 40 000/60 000 2 Rembrandt van Rijn (1606–1669). Einblattdruck des «Curateur over den Insolventen Boedel van Rembrant van Rijn» mit der Ankündigung zur Ver- steigerung von Kunstwerken aus Rembrandts Besitz. Mit einer mehrzeiligen Holzschnitt- Initiale. [Amsterdam, 1658]. Schätzung: CHF 70 000/90 000 2 1 ende Nederlandtsche Meesters» an. Diese habe Rembrandt «met een groote curieushayt te samen versamelt». Darüber hinaus standen auch eine An- zahl («een goede partye») von Zeichnungen und Skizzen Rembrandts selbst zum Verkauf («Teecke- ningen ende Schetsen»). Die Auktion, die bei Barent Janzs Schuurman, demWirt des Gasthauses Kaiser- krone an der Amsterdamer Kalverstraat, stattfinden sollte, ist nicht genau terminiert: «De verkopinge sal wesen ten daeghe, ure ende Jaere als boven.» Wo- rauf sich dieses «boven» (oben) bezieht, ist unklar. Bereits im Dezember 1655 hatte Rembrandt im be- sagten Gasthaus Kaiserkrone einen Raum gemietet und dort einige seiner Besitztümer zum Verkauf an- geboten, worauf sich offenbar auch das vorliegende Blatt bezieht («daer de verkopinge voor desen is ge- weest»). «Der erzielte Gewinn war eine bittere Ent- täuschung, die erste von vielen, die in den schweren Jahren noch folgen sollten. Der Ruin zeigte ihm seine Fratze.» (Simon Schama, Rembrandts Augen, Berlin 1999, S. 597).

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