Koller View 1/20

4 FÜR WEITERE INFORMATIONEN GEMÄLDE ALTER MEISTER Karoline Weser weser@kollerauktionen.ch ONLINE-KATALOGE www.kollerauktionen.ch 1 Maestro della Misericordia (tätig 1370–1400). Kreuzigung Christi. Tempera und Goldgrund auf Holz. 48 × 23 cm. Schätzung: CHF 50 000/70 000 2 Werkstatt Pieter Coecke van Aelst (1502–1550). Zwei Flügel eines Triptychons: Joseph und Balthasar. Öl auf Holz. Je 70,5 × 24,5 cm. Schätzung: CHF 50 000/70 000 3 Bicci di Lorenzo (1373‒1452). Mystische Vermäh- lung der Heiligen Katharina. Öl auf Goldgrund. 162 × 81 cm.Schätzung: CHF 250 000/350 000 Auktion Gemälde Alter Meister vom 27.März 2020 Goldenes Mittelalter Die Tafel mit der «Kreuzigung Christi» (Abb. 1) dürf- te einst als Zentrum eines Flügelaltars der privaten Andacht gedient haben. In den agierenden Figuren – Maria, die Heilige Magdalena und Johannes – spiegelt sich die von Fassungslosigkeit bestimmte Emotionali- tät im Moment des Erlösertods Christi. Dem Meister dieser bislang vermutlich noch nie veröffentlichten Tafel, «Maestro della Misericordia», ist es mit diesem Bild gelungen, die künstlerischen Errungenschaften der Nachfolge Giottos sensibel ins Bild zu setzen. Dieser Florentiner Bildschöpfung dürfte die intensive Auseinandersetzung des Meisters mit Werken von Taddeo Gaddi oder Bernardo Daddi vorausgegangen sein. Bicci di Lorenzowurde ineineKünstlerdynastiegeboren und war als höchst erfolgreicher Maler tätig. Als Sohn des Lorenzo di Bicci (um 1350–1427) übernahm er die florierende väterliche Malerwerkstatt, die während des frühen 15. Jahrhunderts in und um Florenz zahlreiche Aufträge erhielt. 1452, nach Bicci di Lorenzos Tod, soll- te diese in der dritten Generation von seinem Sohn, dem geschäftigen Neri di Bicci (1418–1492) weiter- geführt werden. Bicci di Lorenzos «Mystische Vermäh- lung der Heiligen Katharina» (Abb. 3) nimmt ein Motiv mit hohem Symbolcharakter auf. Die Heilige Katharina von Alexandrien wurde als Märtyrerin verehrt und gilt als eine der vier Virgines capitales , der verehrungswür- digen Jungfrauen. Viele der überkommenen Darstel- lungen zeigen neben dem Christuskind und Katharina Maria sowie als Trauzeugen Johannes den Täufer und Alexander den Grossen. In di Lorenzos Ikonografie wird die Handlung auf die Hauptfiguren konzentriert. Katharina trägt als Zeichen ihrer Märtyrerlegende ein rotes Gewand, das sich kräftig vom Goldgrund abhebt und sie optischmit Maria verbindet. Dasmonumentale Format der hier angebotenen Tafel legt nahe, dass sie den Mittelpunkt eines grossen Altarbildes bildete und wohl beidseitig von Darstellungen stehender Heiliger flankiert war. Das Motiv an der Schwelle von der Spät- gotik zur Frührenaissance, verweist auf die Überliefe- rung, wonach Katharina die Vision einer mystischen Anverlobung mit Christus hatte. Die Heilige Katharina wurde insbesondere in den damals neu entstehenden Frauenklöstern verehrt, womöglich hatte die Tafel an einem solchen Ort ihren ursprünglichen Kontext. Bic- cis lernte zuerst bei seinem Vater, später in den Werk- stätten von Spinello Aretino und Agnolo Gaddi sein Handwerk. Biccis Werke auf Holz, die meist auf präch- tigen vergoldeten Hintergründen entstanden, zeigen eine Abstammung, die noch aus dem 14. Jahrhundert stammt und vielleicht sogar spezifisch sienesisch zu nennen ist. In ihnen spiegelt sich –mehr als in den zahl- reichen Fresken, mit denen er beauftragt wurde – die Kunst der grössten Meister, die im toskanischen Drei- eck zwischen Lucca, Arezzo und Grosseto tätig waren. Heute findet man einige seiner Tafelwerke immer noch im angestammten religiösen Kontext oder aber in den Sammlungen bedeutender Museen, etwa der Vatika- nischen Pinakothek oder im Metropolitan Museum in New York. Zwei schmale Flügel eines Triptychons, auf denen Jo- seph und Balthasar abgebildet sind (Abb. 2), belegen die herausragende malerische Qualität und das hohe Niveau der Werkstatt des Peter Coecke van Aelst (1502–1550). Dieser war ein Schüler von Bernard van Orley, ab etwa 1522 in Antwerpen tätig und bereits fünf Jahre später Meister der dortigen Lukas-Gilde, später Lehrer und Schwiegervater von Pieter Brueghel d. Ä. 2 1

RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2