Koller View 3/22

3 1 A ngelika Kauffmann (1741–1807). Dido am Schei- terhaufen, die Götter herbeirufend. Öl auf Kupfer. 32,5 × 26,5 cm. Schätzung: CHF 70 000/90 000 2 A ngelika Kauffmann (1741–1807). Selbstporträt. 1780. Öl auf Holz. 18 × 14 cm. Schätzung: CHF 30 000/50 000 2 Das zuletzt 1999 der Öffentlichkeit präsentierte und kürzlich in einer Privatsammlung wiederentdeckte Selbstbildnis mit Pinsel und Palette ist eines der sel- tenen Beispiele aus dem Œuvre der schweizerisch- österreichischen Künstlerin Angelika Kauffmann (1741‒1807), in dem sie sich mit den Attributen der Malerei inszeniert (Abb. 2). In ihren späteren Selbst- Vorschau auf die Auktion Gemälde Alter Meister vom 23. September 2022 bildnissen zeigt sie sich oft mit Zeichenstift und Pa- pier oder ganz ohne charakterisierende Utensilien. Im vorliegenden Werk reflektiert sie ihre eigene Stellung als Malerin. So lässt sich das Bild nicht nur als Selbst- bildnis verstehen, sondern kann auch als Allegorie der Malerei wahrgenommen werden. Die Künstlerin spielt mit den Erwartungen ihrer Zeit, Muse und Malerin in einem zu sein und betont ihre künstlerische Autono- mie. Die hohe malerische Qualität dieser Arbeit, der dynamische Pinselduktus und die Stofflichkeiten des Motivs belegen Kauffmanns virtuoses Können. Neben diesem Selbstporträt kommt ein weiteres Ge- mälde zumAufruf, das Kauffmanns intensive Beschäf- tigung mit klassischer Literatur und mythologischen Themen belegt. «Dido am Scheiterhaufen, die Götter anrufend» (Abb. 1) zeigt exemplarisch Kauffmanns intensive Auseinandersetzung mit dem Schicksal vergeblich liebender Frauen und deren Stilisierung zu «Tugendheldinnen». Als eine der bekanntesten Künstlerinnen des 18. Jahr- hunderts erhielt die in Chur, Como und Mailand aufge- wachsene Kauffmann Aufträge aus der Hocharisto- kratie, etwa von den Grafen von Salis, für die schon ihr Vater Joseph Johann (1707‒1782) malte. Ihre Allego- rien und Historiengemälde fanden in hohen Auflagen Angelika Kauffman n: Selbstbild und Allegorie als Punktierstiche Verbreitung. Kauffmann war nicht nur gebildet und ausserordentlich sprachgewandt, sondern darf wohl zurecht als eine Europäerin der ers- ten Stunde bezeichnet werden. Das 1764 gemalte Bildnis des deutschen Gelehrten Johann Joachim Winckelmann ‒ heute im Kunsthaus Zürich ‒ machte sie auf einen Schlag populär. 1768, während ihrer 15 Londoner Jahre, zählte Kauffmann zum erlesenen Kreis der 34 Gründungsmitglieder der Royal Academy of Arts. Eine besonders enge Bezie- hung pflegte die Künstlerin zu Italien. In jungen Jahren bereiste sie mit ihrem Vater Florenz und Venedig und kam erstmals nach Rom, wo sie auch ihre letzten 25 Lebensjahre verbrachte. Mit ihremMann, dem venezi- anischen Maler Antonio Zucchi (1726‒95), unterhielt sie in ihrem Atelierhaus ‒ einem Palazzo neben der Spanischen Treppe ‒ eine Art Salon, der zum Treff- punkt der Aristokratie und Begegnungsort von Künst- lerinnen und Künstlern wurde. Auch Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried Herder zählten dort zu ihrem Umkreis, Letzterer bezeichnete Kauff- mann als die «kultivierteste Frau Europas». Zeitlebens blieb Angelika Kauffmann als Künstlerin unabhängig und band sich an keinen Hof. Romreisende von Rang erteilten ihr Malaufträge, so die russische Zarin Katharina die Grosse oder Kaiser Joseph II. 1 FÜR WEITERE INFORMATIONEN GEMÄLDE ALTER MEISTER Karoline Weser weser@kollerauktionen.ch ONLINE-KATALOGE www.kollerauktionen.ch

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