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Page Background 1241 PRUNKPENDULE „L‘INDIEN ET L‘INDIENNE ENLACÉS“,

Directoire, das Modell von J.S. DEVERBERIE (Jean Simon Deverberie.

gest. 1824), das Zifferblatt sign. DEVERBERIE A PARIS Paris um 1800.

Bronze matt- und glanzvergoldet sowie brüniert. Zwei sich umarmende,

auf dem runden Uhrgehäuse sich stützende Schwarze mit Federkopf-

schmuck, Glasaugen, Ohrstecker und Federnrock auf hohem Bastions-

sockel mit stilisierter Felslandschaft und Wasserfall sowie Perlstab und

Amorenrelief mit hohen, stilisierten Kreiselfüssen. Rundes Emailzifferblatt

mit arabischen Stunden- und Minutenzahlen. 2 feine, durchbrochene

und vergoldete Zeiger. Ankerwerk mit 1/2 Stunden-Schlag auf Glocke.

Ausseordentlich feine, matt- und glanzvergoldete Bronzebeschläge und

-applikationen. 46x17x57 cm.

Provenienz:

- Ehemals B. Prévot, Stuttgart.

- Privabesitz, Schweiz.

Mit Gutachten des Cabinet Etienne/Molinier, Paris 2017.

Eine modellogleiche Pendule wurde in unserer Juni-Auktion 1997 (Kata-

lognr. 1222), eine zweite in unserer Juni-Auktion 1999 (Katalognr. 1183)

verkauft. Ein weiteres Exemplar, ehemals Sammlung P. Izarn, Paris, ist

abgebildet in. P. Kjellberg, La pendule française du Moyen Age au XXe

siècle, Paris 1997; S. 357.

Am 22.1.1799 liess J.S. Deverberie Zeichnungen und Entwürfe verschie-

dener Pendulen - so auch der Entwurf der hier angebotenen Pendule - aus

Gründen des Modellschutzes in der Bibliothèque Nationale - wo sie heute

noch im Cabinet des Estampes aufbewahrt sind - registrieren. Es handelte

sich dabei vor allem um verschiedene Versionen der sog. „pendules au

nègre“, so auch zahlreiche Entwürfe der hier angebotenen Pendule. Die

Darstellung solch „exotischer“ Figuren hat ihren Ursprung seit der Mitte

des 18. Jahrhunderts in der Rousseau‘schen Prämisse des „retour à la

nature“. Weitere, meist pädagogisch intendierte literarische Werke - man

denke an das damals ausserordentlich beliebte Buch von Bernardin de

Saint Pierre „Paul et Virginie“ aus dem Jahre 1788 oder an „Atala“ von

François Chateaubriand im Jahre 1805 und nicht zuletzt an das vor allem

in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr populäre Buch von D.

Defoe, „Robinson Crusoe“ - übten grossen Einfluss auf die bildenden

Künste aus, und die „pendules au nègre“ zeugen in markanter Weise

von diesem Interesse der noblen Gesellschaft für Motive und Figuren

„exotischer“ Herkunft; die Begegnung von Robinson mit Freitag, die

Figur des Robinson als Schiffbrüchigen, Atala als Befreierin von Chactas

oder die Darstellung von Paul und Virginie, getragen von zwei Schwarzen,

wurden der Literatur entnommen und sowohl bildlich als auch bildhaue-

risch - damit sind auch die Bronzen und Pendulen gemeint - umgesetzt.

Dabei spielte nicht nur das kulturelle und stark idealisierte Interesse an der

„exotischen“ Welt eine grosse Rolle, sondern vor allem auch deren Aus-

strahlung einer „natürlichen Erotik“; der sich küssenden „couple enlacé“,

die mit entblössten Brüsten dargestellte „nourrice africaine“ oder der durch

athletischen Körperbau charakterisierte „nègre chasseur“ offenbaren diesen

Aspekt sehr schön. Das Sujet des „bon nègre“ oder „bon sauvage“ wurde

schliesslich in den Epochen des Directoire, Empire und teils der Restau-

ration weiterentwickelt und in über 20 Variationen konkretisiert, wobei

die originellsten und vor allem qualitativ hochwertigsten Modelle von J.S.

Deverberie stammten.

Folgende von ihm signierte Pendulen aus dem Directoire und hier teilweise

angeboten sind bekannt: „L‘Afrique“, „L‘Amérique“, „La Chasseresse sur

un palanquin“, „Le négrillon porteur“, „Deux négrillons soutenant un

portique“, „La pendule au char avec jeune femme de Louisiana“, „Couple

enlacé“. Des weiteren sind Kerzenstöcke und Girandolen „aux nègres“ auf

seine Entwürfe zurückzuführen

CHF 250 000 / 350 000

(€ 231 480 / 324 070)

Möbel & Kunstgewerbe |

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