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HACKERT, JAKOB PHILIPP

(Prenzlau 1737 - 1807 San Piero di Carreggio)

Hafenszene mit Figuren an der Küste bei Vietri

sul Mare. 1775.

Öl auf Leinwand.

Unten links signiert und datiert:

J. Ph. Hackert f 1775.

64,7 x 87,7 cm.

Gutachten: Dr. Claudia Nordhoff, 24.5.2016.

Provenienz:

Schweizer Privatsammlung.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich

um eine wichtige Bereicherung der Werkgruppe

mit Ansichten der Küste bei Vietri sul Mare

von Jakob Philipp Hackert, das kürzlich in einer

Schweizer Privatsammlung entdeckt wurde.

Hackert, der im Sommer 1768 nach Italien reiste

und sich in Rom niederliess, avancierte schnell

zum berühmtesten Landschaftsmaler ganz Euro-

pas. 1770 unternahm er eine Reise nach Neapel

und fertigte mehrere Zeichnungen der Gegend

an, unter anderem des kleinen Ortes Vietri sul

Mare, welches südlich von Neapel, in der Nähe

von Amalfi liegt.

Die amalfitanische Küste, die heute zu den

populärsten Reisezielen Italiens zählt, war in

den frühen siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts

touristisch noch völlig unerschlossen. Die hinter

der Küste ansteigenden Berge waren unzugäng-

lich und dienten Briganten als Schlupfwinkel.

Hackert, der sich vor allem für unwegsame und

unentdeckte Landschaften interessierte, liess

sich davon nicht abschrecken und dokumen-

tierte die Gegend mit der Genauigkeit eines

Landvermessers. So entdeckte er unterhalb des

hochgelegenen Vietri sul Mare das hier darge-

stellte Fischerdorf namens Marina di Vietri.

Fünf Jahre später führte Hackert unser Gemälde

in seinem Atelier in Rom aus. Das Ergebnis

weist sich als exaktes „Landschafts-Porträt“ aus,

in dem nicht nur die natürlichen Gegebenheiten

der Küste, sondern auch die Häuser des Ortes

Marina di Vietri, die Bevölkerung bei ihren Tä-

tigkeiten und schließlich die Boote und Schiffe

genau der Realität entsprechend abgebildet

wurden. Die Fässer und Körbe erinnern daran,

dass in Marina di Vietri die Güter aus dem höher

gelegenen Cava dei Tirreni in Handelsschiffe

verladen wurden: Zu diesen Handelsgütern

zählten wahrscheinlich auch die in unserem Bild

zu sehenden Muscheln. Auch die dargestellten

Schiffe sind charakteristisch für die in Vietri sul

Mare für Fischerei und Handel zu jener Zeit

gebräuchlichen Schiffstypen: ein sogenannter

„Gozzo“, ein bauchiges Ruderboot, das für den

küstennahen Fischfang verwendet wurde ist

hier links am Strand zu sehen, und dahinter im

flachen Wasser ein „Pinco“, ein kleineres Han-

delsschiff mit drei Masten und Lateinersegeln.

Rechts im Bildhintergrund erkennt man auf

hoher See eine Fregatte, die unter holländischer

Flagge segelt, was den damaligen internati-

onalen Schiffsbetrieb im Königreich Neapel

wiederspiegelt.

Das stimmungsvolle Seestück, in dem das ruhige

Meer, der von der aufgehenden Sonne rosig

gefärbte Himmel und die Figurengruppe im

Vordergrund in eine harmonische, ausgeglichene

Komposition eingebunden sind, wurde schnell

zum Prototypen eines beliebten Bildmotivs und

so verwendete Hackert es schon im selben Jahr

1775 ein weiteres Mal in einem Gemälde von fast

demselben Mass, mit leicht geänderten Details

(Öl auf Leinwand, 63 x 87 cm, Privatbesitz;

Auktion Karl & Faber, München, 8.11.2013,

Los 146) und zwei Jahre später erneut in der

kleineren Ansicht auf Holz, heute in einer Pri-

vatsammlung (Öl auf Holz, 34 x 53,5 cm; siehe

Nordhoff, Claudia / de Seta, Cesare: Hackert,

Neapel 2005, Kat. Nr. 21).

CHF 20 000 / 30 000

(€ 18 500 / 27 800)

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