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FLEGEL, GEORG

(Olmütz 1563 - 1638 Frankfurt a. M.)

Stillleben mit Erdbeeren, Walnüssen, Brot,

Butter und Wein.

Öl auf Holz.

22,8 x 37,6 cm.

Gutachten:

- Fred G. Meijer, 7.1.1999 (in Kopie vorhanden).

- Sam Segal, 19.3.1999 (in Kopie vorhanden).

- Dr. Anna-Dore Ketelsen-Volkhardt, 28.7.2001.

Provenienz:

- Kunsthaus P. Gölitz, Augsburg, Dezember

1990.

- Auktion Christie‘s, London, 24.4.1998, Los

56.

- Kunsthandel Newhouse Gallery, New York/

Amell Gallery, London, ausgestellt bei der

TEFAF, Maastricht, März 1999.

- Galerie Neuse, Bremen, 1999.

Ausstellung:

„Die Magie der Dinge, Stilllebenmalerei

1500-1800“, Städel-Museum, Frankfurt, 20.3.-

17.8.2008 und Kunstmuseum Basel, 5.9.2008-

4.1.2009, Nr. 36 (verso Etikette).

Literatur:

- Ketelsen-Volkhardt, Anne-Dore: Georg Flegel,

1566-1638, München/Berlin 2003, Kat. Nr. 23,

Abb. 73, S. 206-207.

- Ausst. Kat. „Die Magie der Dinge, Stillleben-

malerei 1500-1800“, Städel-Museum, Frank-

furt, 20.3.-17.8.2008 und Kunstmuseum Basel,

5.9.2008–4.1.2009, Nr. 36, S. 128-129.

Georg Flegel ist einer der bedeutendsten

deutschen Stilllebenmaler der ersten Hälfte

des 17. Jahrhunderts und zeichnet sich durch

eine besondere malerische Detailvielfalt und

Präzision seiner Motive aus. Er gilt als einer

der Pioniere der Stilllebenmalerei, die aus

ihrem vorherigen religiösen Kontext gelöst, zu

einer eigenständigen Gattung etabliert wurde.

Flegel entstammt einer lutherisch-protestan-

tischen Familie im Mährischen Olmütz und

dürfte wohl auf der Wanderschaft in Linz die

Bekanntschaft des Malerkollegen Lucas van

Valckenborch (1535-1597) gemacht haben, dem

er nach Frankfurt folgte und seit dem Winter

1592/93 in dessen Werkstatt tätig war. Flegel

erwarb kurz nach Valckenborchs Tod 1597 das

Frankfurter Bürgerrecht und spezialisierte sich

fortan als selbständiger Maler auf Mahlzei-

ten- und Schrankbilder. Die wiederkehrende

Motivwahl in seinen Werken lässt auf die grosse

Nachfrage nach seinen Werken schliessen und

dokumentiert den damaligen Trend. Als einziger

Schüler Flegels ging Jacob Marrel (1614) hervor,

der später in Utrecht bei Jan Davisz. De Heem

weiterlernte und durch seine Stilllebenmalerei

ein beachtliches Ansehen erlangte.

In seinen Stillleben wählte George Flegel häufig

einen sehr engen Kompositionsausschnitt,

wodurch ein besonders intimer Gesamteindruck

entsteht und die charakteristischen Merkmale

der einzelnen Motive besonders artikuliert

werden. Dies lässt sich auch bei diesem äusserst

qualitätsvollen und farbenfrohen Stillleben mit

Erdbeeren, Walnüssen, geschabter Butter, einer

Brotscheibe und einem Laib, einem Façon de

Venise-Glas mit Weisswein sowie einem Messer

erkennen. Eine gezielte Lichtführung verleiht

der Szenerie zusätzlich an Lebendigkeit.

Anlässlich der Ausstellung „Die Magie der

Dinge“, bei der unser Gemälde 2008 in Frank-

furt und Basel zuletzt zu sehen war, wurde

die Ikonographie des Stilllebens besonders

betrachtet und wie folgt beschrieben (Ausst.

Kat. ebd., Nr. 36, S. 128): „Die auf der Lehre

von den vier Körpersäften beruhende Diätetik

der Zeit war auf Ausgewogenheit der Ernäh-

rung hinsichtlich der den Nahrungsmitteln

beigemessenen Elementarqualitäten bedacht.

Dies könnte die Kombination der als „kalt und

feucht“ geltenden Erdbeeren mit den „warmen

und trockenen“ Walnüssen auf diesem Imbiss

erklären. Dabei sollte man, wie es etwa der

hessische Arzt Johann Dryander (1500-1560)

empfahl, die Erdbeeren unbedingt vor allen

anderen Speisen zu sich nehmen, damit sich

ihre Feuchtigkeit entfalte. Ihren Genuss zum

Wein halten viele Rezeptbücher der Zeit wegen

der ähnlichen Aromen beider für ratsam und

schmackhaft. Nicht nur die Auswahl, sondern

auch die Anordnung der Speisen wäre dann auf

dem Gemälde sinnreich vorgenommen, griffe

der imaginäre Esser doch zuerst im Vorder-

grund auf den früchtebeladenen, mit Weinlaub

dekorierten Zinnteller zu und stillte mit dem

Weißwein aus dem venezianischen Stängelglas

mit Schlangenstiel seinen Durst. Ist der geleerte

Teller dann beiseite geräumt, so kann das chine-

sische Porzellan seinen Platz einnehmen, in dem

Nüsse und dekorativ geschabte Butter serviert

werden. Während Walnussbäume in den Gärten

rund um Frankfurt grossflächig angepflanzt

wurden und Walderdbeeren wild wuchsen,

war süsse oder gesalzene Butter ein Luxusgut,

das ebenso wie das Weissbrot darunter nur in

patrizischen Haushalten zur Verfügung stand.

Denselben Ausdruck vermittelt das Besteck;

denn im Gegensatz zum unverzichtbaren Messer

war die Gabel damals noch eine Seltenheit. Die

geöffnete Nuss im Vordergrund und der bereits

gebutterte Knust des Brotlaibs hinter dem Glas

deuten an, wie die Mahlzeit weitergehen wird.“

Dr. Segal, Dr. Meijer und Dr. Ketelsen–

Volkhardt datieren übereinstimmend das hier

angebotene Gemälde ins Spätwerk des Malers

um 1630, das stilistisch wie kompositorisch mit

dem 1635 datierten Stillleben in der Staatsgalerie

Stuttgart (Inv. Nr. 3239), welches ein vergleich-

bares venezianisches Glas zeigt, verglichen

werden kann. Auch das Motiv der Beeren, die

auf Blättern auf einem Zinnteller arrangiert sind,

greift Flegel bei dem Gemälde im Sleszke Muse-

um in Opava (Inv. Nr. 1866a) auf. Hinzukommt

die Lichtführung, die charakteristisch ist für

diese Schaffensphase des Künstlers. Besonders

selten ist dabei die gemeinsame Darstellung von

Messer und Gabel, wie hier gezeigt, die sich

als Besteckpaar nur noch ein weiteres Mal im

Oeuvre Flegels findet (siehe Ketelsen-Volkhardt

2003, Kat. Nr. 58, S. 260).

CHF 150 000 / 250 000

(€ 138 900 / 231 500)

Gemälde Alter Meister - Die Sammlung Schmitz-Eichhoff

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