Previous Page  92 / 148 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 92 / 148 Next Page
Page Background

3063*

GESSI, GIOVAN FRANCESCO

(1588 Bologna 1649)

Gegenstücke: Heilige Agnes und Heilige Ursula.

Öl auf Holz.

Je 50,5 x 38 cm.

Gutachten: Dr. Massimo Francucci, 8.6.2014.

Provenienz:

- Sammlung George Sutherland-Leveson-Go-

wer, 2. Duke of Sutherland (1786-1861).

- Durch Erbschaft, Sammlung George Suther-

land-Leveson-Gower, 3. Duke of Sutherland

(1828-1892).

- Durch Erbschaft, Sammlung Cromartie

Sutherland-Leveson-Gower KG, 4. Duke of

Sutherland (1851-1913).

- Auktion „The Property of the late Duke of

Sutherland, K.G., removed from Stafford

House, St. James’s, S.W.“, Christie, Manson

& Woods, 11.7.1913, Los 55 (verkauft als “Do-

menichino” an Holzapal für 10 gns.).

- Sammlung Holzapal.

- Wohl Sammlung Marcus Kappel (1839-1919),

Berlin.

- Sammlung Josef Sollinger (1899-1979), Traun-

stein.

- Europäische Privatsammlung, seit den 1970er

Jahren.

- Durch Erbschaft, Europäische Privatsamm-

lung.

Literatur:

Colnaghi, P & D / Scott & Co (Hg.): Catalogue

of the Pictures in the Gallery at Stafford House,

Pall Mall East, London 1862, S. 28, Kat. Nr. 211

und 213 (als “Schule von Domenichino”).

Diese beiden qualitätsvollen Darstellungen der

Heiligen Agnes und Ursula, die kürzlich in einer

europäischen Privatsammlung aufgetaucht und

über mehrere Generationen nicht mehr auf dem

Kunstmarkt angeboten waren, wurden einst mit

der Schule von Domenichino in Verbindung

gebracht.

Dr. Erich Schleier identifiziert diese beiden Ge-

mälde hingegen nach Prüfung der Originale als

eigenhändige Arbeiten von Giovan Francesco

Gessi. Dieser Meinung schliessen sich ebenfalls

Prof. Daniel Benati sowie Dr. Massimo Francuc-

ci an. Letzterer bezeichnet sie als „due belissime

Gessi“ und beabsichtigt die Werke in Kürze zu

publizieren.

Dargestellt sind die beiden Heiligen mit ihren

Attributen: Agnes mit dem Lamm und Ursula

mit dem Kreuzritterwappen. Beide werden von

heidnischen Motiven aus der römischen Antike

umgeben, wie beispielsweise bei Agnes der

Tempel hinter dem Lamm, der an die Trajans-

säule erinnert und somit einen Gegensatz zu

dem christlichen Handeln der Heiligen darstellt.

Francucci hebt in seinem Gutachten hervor, dass

beide Gemälde die charakteristische Leuchtkraft

der Bologneser Malerei des 16. Jahrhunderts von

Domenichino (1581-1641) und besonders seinem

Lehrmeister Guido Reni (1575-1642) aufweisen.

Er bringt die beiden Tafeln stilistisch mit der

am 17.4.1633 vom Conte Pier Antonio Brusati

in Auftrag gegebenen „Himmelfahrt Mariens“

für S. Nicolo in Carpi in Verbindung, bei denen

Gessi thematisch auf zwei Hauptwerke seines

Lehrmeisters Reni von 1627 zurückgreift, aller-

dings gleichzeitig seine künstlerische Loslösung

vor Augen führt (siehe Emiliani, A.: Maestri

della pittura del Seicento emiliano, Bologna

1959, S. 110-111, Abb. 46). Francucci bringt

ferner stilistisch den San Rocco von 1634 in der

Gemäldegalerie in Berlin mit unseren beiden

Tafeln in Verbindung, die seiner Meinung nach

in derselben Zeit entstanden sind (siehe hierzu

Negro, E.: La scuola di Guido Reni, Modena

1992, S. 241-244, Abb. 232). Ebenso weist die

Santa Caterina in der gleichnamigen Kirche in

Bologna Parallelen mit unseren beiden Heiligen

auf.

Die aristokratische Provenienz dieser beiden

qualitätsvollen Heiligen darf ferner nicht uner-

wähnt bleiben, die gleichzeitig die frühzeitige

Wertschätzung zum Ausdruck bringt. Georges

Sutherland (1786-1861), der erste nachweisbare

Eigentümer dieses Gemäldepaares wurde als

ältester Sohn von George Leveson-Gower,

1. Duke of Sutherland und seiner Gemahlin

Elizabeth Gordon, Countess of Sutherland, in

London geboren. Seine einseitige Gehörlosig-

keit veranlasste Georges Sutherland sich aus der

Politik fernzuhalten und stattdessen mit dem

Familienvermögen seine zahlreichen Residen-

zen umzugestalten und auszuschmücken. 1845

beauftragte er den Architekten Sir Charles

Barry (1795-1860) mit der grundlegenden Um-

gestaltung des Familiensitzes Dunrobin Castle

an der Ostküste von Schottland. Mit seinen 189

Zimmern ist das Schloss heute noch das grösste

Wohngebäude in den nördlichen Highlands. Zu-

sätzlich wurde Barry mit dem kompletten Um-

bau der Residenz Trentham Hall in Staffordshi-

re, des Cliveden House in Buckinghamshire und

des Familiensitzes in London, Stafford House,

dem wohlhabendsten Wohnhaus zu jener Zeit in

der Stadt, beauftragt.

Die hier angebotenen Gemälde werden in

vergoldeten „cassetta“ Rahmen aus der Zeit

verkauft.

CHF 20 000 / 30 000

(€ 18 500 / 27 800)

3063

Gemälde Alter Meister

| 90