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PostWar & Contemporary

3412 SAM FRANCIS

(San Mateo/Kalifornien 1923 - 1994 Santa

Monica)

Drift II. 1976.

Aquarell und Gouache auf Papier.

Verso signiert: Sam Francis, sowie von

fremder Hand mit der Archivnummer

bezeichnet: SF76-026.

58 x 82 cm.

Das Werk ist unter der Interims-Identifi-

kationsnummer: SF76-026 für das in Vor-

bereitung befindliche Werkverzeichnis der

Papierarbeiten von Sam Francis vorgese-

hen. Diese Information kann sich anhand

wissenschaftlicher Forschungen der Sam

Francis Foundation ändern.

Provenienz:

- Vom ehemaligen Besitzer1986 bei Gale-

rie Kornfeld, Bern, erworben.

- Durch Erbschaft an den heutigen Besit-

zer, Privatsammlung Schweiz.

„Bei kaum einem ‚gegenstandslosen‘ Maler

ist der Wirklichkeitsbezug so suggestiv

wie bei Sam Francis. Jedes seiner Bilder ist

bis zum Bersten angefüllt mit optischen

Erlebnissen, mit visueller Erfahrung, ist

getränkt mit der Sichtbarkeit der Welt.“

(Wieland Schmied, „Notizen zu Sam Fran-

cis“, in: Ausst.-Kat. Kestner-Gesellschaft,

Hannover. Sam Francis, 1963, S. 12.)

Samuel Lewis Francis, genannt Sam, 1923

in San Mateo geboren, entschließt sich

erst durch ein traumatisches Schlüsseler-

lebnis Künstler zu werden. Seine natur-

wissenschaftliche Neigung veranlasst ihn

zunächst dazu, ab 1941 Medizin und Psy-

chologie an der University of Berkeley zu

studieren. Von 1943 bis 1945 dient Francis

in der U. S. Army als Kampfflieger. Vor allem

seine hier gewonnen Impressionen der

weitläufigen Landschaften, die sich, von

der Vogelperspektive aus beobachtet, zu

Farben- und Formenvielfalt abstrahieren,

werden Spuren in seinemmalerischen

Werk hinterlassen. Als sein Flugzeug in

der kalifornischen Wüste abstürzt, zieht er

sich schwere Rückenverletzungen zu, die

ihn für längere Zeit ans Krankenhausbett

fesseln. Dort beginnt er zu malen und

entschließt sich, eine künstlerische Lauf-

bahn einzuschlagen. 1945-50 studiert er

in Kalifornien Kunst, reist aber gleich nach

Abschluss seines Studiums nach Paris, wo

er regen Austausch mit der dort aktiven

Künstlerschaft pflegt und sich besonders

dem kanadischen Künstler Jean-Paul

Riopelle verbunden fühlt.

Auffallend an Francis Werken, wie auch bei

den hier Angebotenen, ist der Eindruck

der Auschnitthaftigkeit seiner Bilder.

Die Bildränder bieten seinen abstrakten

Kompositionen keine Begrenzung, sie

scheinen sich ins Unendliche ausdehnen

zu können. Die Idee des Ausschnitthaften

trifft dabei in vielfacher Weise zu: das Bild

als Ausschnitt des Lebens, die Ausdeh-

nung des Momentes (des Malens) in die

Unendlichkeit der Zeit, der Ausschnitt der

inneren (Gefühls-) Welt übersetzt in die

Phänomene des sichtbaren Kosmos. Die

amorphen, organischen Formen erinnern

an Mikroorganismen, mit denen Francis

sich während seines Studiums der Medizin

vermutlich auseinandergesetzt hat. Das

Dargestellte bleibt dennoch abstrakt.

Dieses prächtige Frühwerk macht den Ent-

stehungsprozess seiner Werke besonders

deutlich: Francis malt dieses, indem er das

Blatt auf den Boden legt. Zunächst formu-

liert er das geometrisch anmutende ‚Git-

ternetz‘ mit in sich verfließenden Aqua-

rellfarben. Anschließend schüttet, tropft

oder spritzt er dickflüssige Farben auf den

Bildträger, während er sich stehend über

das Bild beugt. Bemerkenswert bei dieser

Vorgehensweise ist, dass sie sowohl sehr

spontan und dynamisch ist, gleichzeitig

aber immer wieder einer Reflektion durch

den Künstler bedarf.

Francis Farbverständnis ist dabei stark von

den Postimpressionisten und italienischen

Malern der Frührenaissance geprägt, wo-

hingegen der gestische Pinselauftrag vor

allem auf seine Zeit in Japan im Jahr 1957

zurückgeht, als er mit der japanischen

Tuschpinsel-Technik haboku in Berührung

gekommen ist. Die daraus resultierende

Leuchtkraft der einzelnen Farben, akzen-

tuiert durch ein tiefes Schwarz, verleiht

dem hier angebotenen Bild eine Lebhaf-

tigkeit und Leichtigkeit, die die ganze Kraft

seines künstlerischen Könnens als promi-

nenter Vertreter des lyrisch orientierten

Abstrakten Expressionismus bezeugt.

CHF 40 000 / 60 000

(€ 37 040 / 55 560)