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Schweizer Kunst

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DIETRICH, ADOLF

(1877 Berlingen 1957)

Brandung amUntersee imWinter. 1924.

Öl auf Karton.

Unten rechts signiert und datiert:

A. Dietrich 1924.

39 x 59 cm.

Provenienz: Schweizer Privatsammlung.

Ausstellungen:

- Mannheim, 18.9.-20.10.1927, Galerie

„Kunsthaus“ Dr. Tannenbaum, Mannheim

(verso Etikette).

- Zürich, 27.11.1947-3.1.1948, Adolf

Dietrich zum 70. Geburtstag, Kunstsalon

Wolfsberg, Nr. 6.

- Bern, 28.7.-28.8.1949, Moderne primitive

Maler, Kunsthalle Bern, Nr. 69.

- Frauenfeld, 10.9.-13.11.1977, Adolf Diet-

rich 1877-1957 - Ausstellung zum 100.

Geburtstag, Thurgauische Kunstsamm-

lungen, Bernerhaus und Villa Sonnen-

berg, Nr. 29 (verso Etikette).

- Winterthur, 4.9.-20.11.1994, Adolf Diet-

rich und die neue Sachlichkeit, Kunstmu-

seumWinterthur (verso Etikette).

Literatur:

Ammann, Heinrich: Adolf Dietrich, Frau-

enfeld 1977, S. 190, Nr. 24.12 (mit Abb. S.

191).

Bereits als Schüler malt und zeichnet

Dietrich leidenschaftlich gern. Doch die

einfachen familiären Verhältnisse veran-

lassen die Eltern, ihr siebtes Kind statt in

eine Lithographen-Lehre, wie es der Leh-

rer empfiehlt, zur Arbeit in der Berlinger

Trikotfabrik anzuhalten. Später verrichtet

Dietrich das Sticken an der Maschine in

Heimarbeit und hilft demVater nebenher

bei der Bestellung der familieneigenen,

bescheidenen Landwirtschaft. Trotzdem

zeichnet und malt Dietrich wann immer es

die Zeit erlaubt. 1900 entstehen als eine

der ersten, künstlerisch relevanten Werke

mehrere grossformatige Tieraquarelle

(siehe Los Nr. 3067) und ab 1902 die ers-

ten Ölgemälde. Trotz mehreren Versu-

chen, bei Kunstvereinen auf seine Malerei

aufmerksam zu machen, werden Dietrichs

Werke lange nicht gewürdigt. 1913 erhält

er endlich die Gelegenheit in Konstanz

auszustellen. Dr. Herbert Tannenbaum,

welcher 1919 eine eigene Galerie in

Mannheim eröffnet, wird auf den Künstler

aufmerksam und entdeckt das grosse

künstlerische Talent. Dietrichs Werke,

die er u.a. auch anlässlich seiner Besuche

beim Künstler in Berlingen Ende der 10er

und Anfang der 20er Jahre sieht, kom-

mentiert Tannenbaum als „Schöpfungen

eines unerhört begabten, unverdorbenen

und edlen Gemüts“. 1922 findet die erste

Ausstellung Dietrichs in Tannenbaums

„Kunsthaus Mannheim“ statt und wird zum

grossen Erfolg, welcher von der zweiten

Ausstellung 1925 noch übertroffen wird

und anlässlich derer 38 von insgesamt 40

gezeigten Bildern verkauft werden.

In dieser Zeit seines künstlerischen

Durchbruchs malt Dietrich das hier

angebotene Gemälde „Brandung am

Untersee“, welches drei Jahre später in

Tannenbaums Galerie ausgestellt wird. Es

zeigt die vomWind aufgewühlte Brandung

am verschneiten Untersee und ist eines

der frühen Beispiele von Dietrichs Win-

terbildern, denen in seinemOeuvre eine

ganz besondere Bedeutung zukommt. Im

Winter hatte Dietrich, wie er selber äusser-

te, mehr Zeit zum Schauen und Malen als

im Frühling und Sommer. Diese Gemälde

entstanden aus einer inneren Notwendig-

keit – als existentielle Metaphern. „In der

jahreszeitlichen Kargheit und Kälte, Verlas-

senheit und Leere sieht Dietrich die eige-

nen Lebensbedingungen gespiegelt: seine

existentiellen Ängste vor Verarmung und

zunehmender Vereinsamung“ (Christoph

Vögele, in: WV, 1994, S.78). Seine Vorliebe

für Winterbilder teilt Dietrich mit mehreren

Vertretern der neuen Sachlichkeit.

CHF 70 000 / 100 000

(€ 64 800 / 92 600)

Adolf Dietrich auf dem Bodensee (vor

Berlingen), 1939. Hans Baumgartner

© Fotostiftung Schweiz