

|
72
Schweizer Kunst
3080
DIETRICH, ADOLF(1877 Berlingen 1957)
Brandung amUntersee imWinter. 1924.
Öl auf Karton.
Unten rechts signiert und datiert:
A. Dietrich 1924.
39 x 59 cm.
Provenienz: Schweizer Privatsammlung.
Ausstellungen:
- Mannheim, 18.9.-20.10.1927, Galerie
„Kunsthaus“ Dr. Tannenbaum, Mannheim
(verso Etikette).
- Zürich, 27.11.1947-3.1.1948, Adolf
Dietrich zum 70. Geburtstag, Kunstsalon
Wolfsberg, Nr. 6.
- Bern, 28.7.-28.8.1949, Moderne primitive
Maler, Kunsthalle Bern, Nr. 69.
- Frauenfeld, 10.9.-13.11.1977, Adolf Diet-
rich 1877-1957 - Ausstellung zum 100.
Geburtstag, Thurgauische Kunstsamm-
lungen, Bernerhaus und Villa Sonnen-
berg, Nr. 29 (verso Etikette).
- Winterthur, 4.9.-20.11.1994, Adolf Diet-
rich und die neue Sachlichkeit, Kunstmu-
seumWinterthur (verso Etikette).
Literatur:
Ammann, Heinrich: Adolf Dietrich, Frau-
enfeld 1977, S. 190, Nr. 24.12 (mit Abb. S.
191).
Bereits als Schüler malt und zeichnet
Dietrich leidenschaftlich gern. Doch die
einfachen familiären Verhältnisse veran-
lassen die Eltern, ihr siebtes Kind statt in
eine Lithographen-Lehre, wie es der Leh-
rer empfiehlt, zur Arbeit in der Berlinger
Trikotfabrik anzuhalten. Später verrichtet
Dietrich das Sticken an der Maschine in
Heimarbeit und hilft demVater nebenher
bei der Bestellung der familieneigenen,
bescheidenen Landwirtschaft. Trotzdem
zeichnet und malt Dietrich wann immer es
die Zeit erlaubt. 1900 entstehen als eine
der ersten, künstlerisch relevanten Werke
mehrere grossformatige Tieraquarelle
(siehe Los Nr. 3067) und ab 1902 die ers-
ten Ölgemälde. Trotz mehreren Versu-
chen, bei Kunstvereinen auf seine Malerei
aufmerksam zu machen, werden Dietrichs
Werke lange nicht gewürdigt. 1913 erhält
er endlich die Gelegenheit in Konstanz
auszustellen. Dr. Herbert Tannenbaum,
welcher 1919 eine eigene Galerie in
Mannheim eröffnet, wird auf den Künstler
aufmerksam und entdeckt das grosse
künstlerische Talent. Dietrichs Werke,
die er u.a. auch anlässlich seiner Besuche
beim Künstler in Berlingen Ende der 10er
und Anfang der 20er Jahre sieht, kom-
mentiert Tannenbaum als „Schöpfungen
eines unerhört begabten, unverdorbenen
und edlen Gemüts“. 1922 findet die erste
Ausstellung Dietrichs in Tannenbaums
„Kunsthaus Mannheim“ statt und wird zum
grossen Erfolg, welcher von der zweiten
Ausstellung 1925 noch übertroffen wird
und anlässlich derer 38 von insgesamt 40
gezeigten Bildern verkauft werden.
In dieser Zeit seines künstlerischen
Durchbruchs malt Dietrich das hier
angebotene Gemälde „Brandung am
Untersee“, welches drei Jahre später in
Tannenbaums Galerie ausgestellt wird. Es
zeigt die vomWind aufgewühlte Brandung
am verschneiten Untersee und ist eines
der frühen Beispiele von Dietrichs Win-
terbildern, denen in seinemOeuvre eine
ganz besondere Bedeutung zukommt. Im
Winter hatte Dietrich, wie er selber äusser-
te, mehr Zeit zum Schauen und Malen als
im Frühling und Sommer. Diese Gemälde
entstanden aus einer inneren Notwendig-
keit – als existentielle Metaphern. „In der
jahreszeitlichen Kargheit und Kälte, Verlas-
senheit und Leere sieht Dietrich die eige-
nen Lebensbedingungen gespiegelt: seine
existentiellen Ängste vor Verarmung und
zunehmender Vereinsamung“ (Christoph
Vögele, in: WV, 1994, S.78). Seine Vorliebe
für Winterbilder teilt Dietrich mit mehreren
Vertretern der neuen Sachlichkeit.
CHF 70 000 / 100 000
(€ 64 800 / 92 600)
Adolf Dietrich auf dem Bodensee (vor
Berlingen), 1939. Hans Baumgartner
© Fotostiftung Schweiz