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PostWar & Contemporary
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ANTHONY CARO(NewMalden/London 1924 - 2013 Lon-
don)
Table Piece CCLXXXIX (Reno). 1975/76.
Gerosteter Stahl, gefirnisst.64,8 x 172,1 x
22,9 cm.
Provenienz:
- 1978 vom heutigen Besitzer bei Galerie
André Emmerich, Zürich/New York,
erworben.
- Seitdem Privatbesitz Schweiz.
Literatur: Blume, Dieter: Anthony Caro.
Catalogue raisonée, Vol. I. Table and rela-
ted sculptures 1966 - 1978, Köln 1981, Nr.
296 (mit Abb.).
Ausstellung: 1978 Zürich, Anthony Caro.
Galerie André Emmerich, 31. März - 13.
Mai 1978.
Anthony Caro gehört zu den bedeutends-
ten Begründern der abstrakten Skulptur.
1924 in NewMalden geboren, schliesst
er 1944 sein Ingenieurstudiummit dem
Diplom ab, besucht 1946 das Regent
Street Polytechnic Institute und beginnt
1947 sein 5-jähriges Studium an der Royal
Academy of Arts, London. In dieser tradi-
tionellen Institution des Königreiches ist
der Lehrplan nach demZweiten Weltkrieg
noch sehr konservativ, so dass die stärker
werdende Strömung Abstrakter Kunst hier
keinen Platz hat und Caros frühe Werke
figurativ sind. 1952/53 wird er Assistent
des einflussreichsten englischen Bildhau-
ers der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
Henry Moore. Er übernimmt Lehrtätig-
keiten an der St. Martin‘s School of Art
(1953-1967) und am Bennington College,
Vermont (1963-1965). Neben zahlreichen
Auszeichnungen, u.a. 1987 dem Ritter-
schlag durch die Queen, nimmt er 1964 an
der documenta III und vier Jahre später an
der documenta 4 teil.
In den 1960er Jahren wendet sich An-
thony Caro der Abstrakten Kunst zu und
entwickelt u.a. seine Table Pieces, von
denen wir eines hier anbieten können. Sie
bedeuten die bewusste Entscheidung für
kleinere Skulpturen; für die Entwicklung zu
Tischskulpturen, die den Tisch zu einem
Teil der Skulptur werden lassen. Die frühen
Table Pieces haben immer ein Teil, das
über den Tisch hinausragt, so dass sie
gar nicht auf dem Boden plaziert werden
können. Aber auch die Werke der 1970er,
wie das Vorliegende, funktionieren von ih-
remMassstab her nur, wenn sie auf einem
Tisch platziert sind. Der Tisch wird aber
nicht indirekt zum Sockel umfunktioniert,
sondern zu einemwichtigen Bestandteil
der Plastik.
Mit seinen abstrakten Plastiken gestaltet
der Künstler den Raum und gleichzeitig
die Leere, er beherrscht die Dynamik und
Statik der Arbeit. Die Formfindung und
-gestaltung ist das Kernstück und die
Kernaussage der Skulptur - keine meta-
phorischen Anspielungen oder Assoziati-
onen. „Er verpflichtet den Betrachter zur
Aktivität, weil sich jedes Objekt selbst als
eine neue Erfahrung der Wahrnehmung
anbietet“ (zit.: Skulptur. Die Moderne 19.
und 20. Jahrhundert, Bd. IV, Köln 1986, S.
214).
Die Hinwendung zum Stahl Mitte der
ersten Hälfte des Jahrhunderts, bis dato
wurden Skulpturen in Stein gemacht, bie-
tet den Bildhauern eine ungeahnte Freiheit
in der Formgestaltung, da sie sich nicht
mehr den Gegebenheiten des vorhande-
nen Steins unterwerfen müssen, sondern
durch Schweissen, Nieten, etc. das form-
bare Material gestalten und nach ihren
Vorstellungen zusammensetzen können.
Somit wird auch der Entstehungsprozess
immer wichtiger.
In Caros Werken wird dies eindrücklich
demonstriert: Die einzelnen Elemente, aus
denen unser Table Piece zusammenge-
setzt ist, sind u.a. durch die Schweissnähte
eindeutig zu identifizieren, was bedeutet,
dass jedes einzelne Stück Stahl genau
an demOrt ist, wo es Caro haben will.
Der Entstehungsprozess wird wichtiger
Bestandteil der Skulptur und begründet
ihre Einzigartigkeit: „Die additive Verwen-
dung industrieller Teile, [...], erlaubt ein
direktes und spontanes, der musikalischen
Improvisation nicht unähnliches Arbeiten.
Bemerkenswert ist, dass die Skulpturen
immer direkt aus demMaterial, ohne vor-
bereitende Ideenskizzen oder Maquetten,
entstehen.“ (zit.: Blume, Dieter: Anthony
Caro. Catalogue raisonée, Vol. II. Table and
related sculptures 1979-1980, Köln 1981,
S. 5). Caro selbst sagt über den Entste-
hungsprozess: „Often many months go
by before I see them again ... When I come
to take a look at them, the umbilical cord
which held me to them has been cut and
I feel free to make very radical changes ...
I believe that working in this fashion helps
to keep spontaneity and freshness in my
work“ (ebenda, S. 11).
CHF 40 000 / 60 000
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