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PostWar & Contemporary

3452*

JAN FABRE

(Antwerpen 1958 - lebt und arbeitet in

Antwerpen)

SnowMountains. 1989 .

Kugelschreiber auf Papier mit perforier-

tem, rechtem Seitenrand.

61 x 282,5 cm.

Die Authentizität wurde von Angelos bvba/

Jan Fabre, Antwerpen, Mai 2015, bestätigt.

Provenienz:

- Vom heutigen Besitzer 2000 in der Gale-

rie Campo, Antwerpen, erworben.

- Seitdem Privatbesitz Niederlande.

Ausstellung: Sint-Niklaas 1992. „Li jn“, 17

Mai - 28 Juni (verso mit dem Etikett).

Jan Fabre, Antwerpener Maler, Regisseur,

Choreograf und Dramatiker, hat bereits

in jungen Jahren ein gewaltiges Oeuvre

geschaffen. Die einzelnen Werke an sich

sind oft „monumental“, in Grösse, Aufwen-

digkeit und durch die schiere „Arbeit“, die

dahinter steckt. In seiner Kunst verei-

nen sich eine unglaubliche Energie und

viel Körpereinsatz sowie Beständigkeit.

Körperliche Arbeit ist für ihn ein zentraler

Aspekt des Arbeitens, genauso wie Über-

gangssituationen, Zwischenzeiten oder

Momente. Er arbeitet meist Nachts und

erreicht den Höhepunkt seines kreativen

Schaffens zwischen Nacht und Tag, einer

Zwischenzeit, der sogenannten „blauen

Stunde“ der Dämmerung. Es ist für ihn

eine spezielle Phase, „wenn die Nachttiere

Schlafen gehen und die Tagtiere aufwa-

chen, gibt es in der Natur einen Moment

von sublimer Stille, in dem alles aufreisst,

aufbricht und sich verändert. Diesen Mo-

ment habe ich gesucht, eingefangen.“ (zit.:

Jan Fabre imGespräch mit Jan Hoet und

Hugo de Greef, Ausst.Kat.: Jan Fabre. Der

Leimrutenmann, Stuttgart 1995, S. 26.).

Solche Übergangssituationen sind auch in

seinen Werken erkennbar. Wenn er seine

Blauen Bilder malt, seine riesigen BIC-Wer-

ke, wo er ganze Papierflächen mit blauem

BIC-Kugelschreiber bekritzelt, malt er sich

in einen tranceartigen Zustand. Der Stift

ist wie die Verlängerung seiner Hand, die

Hand die seines Arms und dieser die sei-

nes ganzen Körpers. Die endlosen blauen

Linien, dicht übereinander gemalt, ent-

stehen in diesem endlosen Moment, wo

Gedanken aufhören und die Mechanik des

Körpers ihn in seiner Arbeit „verschwinden“

lässt. Schon ganze Räume hat er „bebict“,

sogar das Schloss Tivoli wurde mit seinen

schraffierten Papierbahnen 1990 ganz

in Blau getaucht. BIC-Blau „ist eine sehr

ruhige Farbe. Doch die Art und Weise, wie

ich sie auftrage, macht viel Lärm. Mit der

Zeit aber und durch die Wiederholung wird

es wieder ruhig. Still, so dass man das Bild

hören kann. - Ich versuche, der Stille eine

Form zu geben mit all ihren Geräuschen.“

(zit.: Jan Fabre in: Ausst.Kat.: Jan Fabre,

Basel 1990).

Das genau dieses „Blaubicen“ mit den

billigen Kugelschreibern ihn zu Ruhm ver-

holfen hat, in Anbetracht der Sonderstel-

lung der Farbe Blau in der Kunstgeschichte

- von Giottos kostbarem Lapislazuli Blau

bis hin zu Yves Kleins IKB Blau - scheint

ihn erst recht zu amüsieren. Kritzeleien,

die Leute unbewusst auf Papier bringen,

sind für ihn Ausdruck des Wegseins, wenn

man beimTelefonieren, Warten, Denken

oder aus Nervosität unablässig vor sich

hin kritzelt. Diese Spuren der Abwesen-

heit bringt Fabre auf eine grosse Fläche,

er lässt sich von den Linien treiben, ohne

genaue Gestalten oder Motive zu malen,

lässt die Linien ihn führen. Gleichzeitig

bezeugen diese blauen Flächen auch die

Präsenz eines Menschen, seines Körpers.

In den endlosen Wiederholungen der Li-

nien werden das Atmen, die Bewegungen

des Körpers und die psychische Präsenz

spürbar. Es ist ein gleichzeitiges Dasein

und Wegsein, eine unauflösliche Spannung

und Dialektik, die Fabre antreiben und fas-

zinieren. Er selbst beschreibt sein Arbeiten

als eine Art Selbsthypnose.

„Es sind Augenblicke, die man wie folgt

zusammenfassen könnte: ich tue nichts

bewusst, ich denke nicht zusammenhän-

gend, ich erwarte nichts, und alles passiert

von selbst. Mir schwindelt der Kopf, und

das Ohr tut seine Arbeit. Die Grenzen sind

aufgehoben. Ich fliege um und durch die

Zeichnung, unter, über und in ihr.“ (zit.: Jan

Fabre, ebenda S. 174).

CHF 25 000 / 35 000

(€ 23 150 / 32 410)