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PostWar & Contemporary

3458

JÖRG IMMENDORFF

(Bleckede 1945 - 2007 Düsseldorf)

Auf die Plätze. 1981.

Öl auf Leinwand.

Am Seitenrand oben rechts signiert und

datiert: Jörg Immendorff 81, sowie unten

mittig betitelt: Auf die Plätze.

50 x 40 cm.

Provenienz:

- Vom heutigen Besitzer 1990 in der Gale-

rie Raymond Bollag, Zürich, erworben.

- Seitdem Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Zürich 1990, Jörg Immen-

dorff. Bilder und Arbeiten auf Papier. Gale-

rie Raymond Bollag, Zürich, 24. April - 20.

Juni 1990 (verso mit dem Etikett).

„Aufruf an die Westdeutschen und

europäischen Künstler: Behandelt in

euren Werken Fragen des Alltages,

Ungerechtigkeiten, die Frage drohender

Kriegsgefahr durch zwei imperialistische

Mächte, politische Unterdrückung – setzt

euch für Frieden ein, denn fällt die erste

Bombe, bleibt keine Staffelei trocken, euer

Jörg Immendorff, Mai 1978.“ (zit. Dieter

Koepplin, in: Jörg Immendorff - „Café

Deutschland“, Ausst. Kat. Kunstmuseum

Basel 1979, S. 10).

Ende der 1970er Jahre konzentriert sich

Jörg Immendorff in seinen Arbeiten ganz

auf die Thematisierung des Ost-West-

Konfliktes. Er beginnt 1977 den 16-teiligen

Gemälde-Zyklus „Café Deutschland“, in

dem er die Teilung Deutschlands, den

Mauerbau in Berlin, den Schiessbefehl und

das atomare Wettrüsten der Grossmäch-

te anprangert. Einen Mitstreiter findet er

in A.R. Penck, den er 1976 trifft und der

jenseits der deutsch-deutschen Grenze

in Dresden als Künstler (imUntergrund)

arbeitet. Penck und Immendorff grün-

den ein Künstlerkollektiv, das über die

innerdeutsche Grenze hinweg agieren

soll. Sie beschliessen, im Kollektiv „ihre

Arbeit in den Dienst der Überwindung

der willkürlich errichteten Grenze in Form

der Berliner Mauer zu stellen“ (zit. David

Elliot, in: Jörg Immendorff, Galerie Michael

Werner, Ausst.Kat. 2014). Der Zyklus

„Café Deutschland“ wird dabei zu einer Art

Theaterbühne für die Persönlichkeiten,

Entwicklungen und historischen Begeben-

heiten des geteilten Deutschlands.

Die beiden Arbeiten des Beuys-Schülers

Jörg Immendorff „Auf die Plätze“ und

„Alltag imCafé Ost“ sind imUmfeld dieses

Gemälde-Zyklus entstanden. Vom heuti-

gen Standpunkt aus betrachtet, erschei-

nen sie wie die Visionen eines Hellsehers.

Die gemalte Wiedervereinigung von

Bundesrepublik und DDR scheint damals

reine Utopie zu sein. Die Vehemenz und

Zielstrebigkeit, mit der Immendorff gegen

das geteilte Deutschland anmalt, zeigt

sich aber nicht nur in der aggressiv-politi-

schen Sujetwahl, sondern auch in seinen

bildnerischen Mitteln. Mit kraftvollen Far-

ben, klaren Abgrenzungen und summa-

rischer Flächenbehandlung vermittelt er

seine Botschaft.

In „Auf die Plätze“ kniet eine männliche

Figur in der Startposition eines Sprinters

an der Steilwand einer Festung mit roter

Flagge, so als warte er auf den Startschuss,

um diese Mauer zu überwinden. Den Blick

fest auf sein Ziel gerichtet, trennen ihn

nur Zentimeter von der Oberkante der

Mauer. Immendorff fängt sehr pointiert

die damalige Stimmung ein: die Spannung,

bevor sich die aufgestaute Kraft, die hohe

Konzentration in Aktion verwandelt.

CHF 8 000 / 12 000

(€ 7 410 / 11 110)