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PostWar & Contemporary

3462

ALFRED HRDLICKA

(1928 Wien 2009)

Werkskizze zu „Tausendundeinenacht“.

1967.

Bleistift und Kohle auf Papier auf Leinwand.

Unten rechts signiert und datiert: Alfred

Hrdlicka 1967.

193 x 220 cm.

Provenienz:

- Ehemals Sammlung Prof. Dr. Gustav

Stein, Köln.

- Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Biennale Sao Paulo 1967

(verso mit dem Etikett).

Literatur: Chobot, Manfred. Alfred Hrdlic-

ka. Skulptur und grosse Zeichnungen,

Wien/München 1973, Nr. 17 (mit Abb.).

Der Österreicher Alfred Hrdlicka wird

1928 in Wien geboren. Sein Vater, wie

auch Hrdlicka selbst, ist ein überzeugter

Kommunist, der in den 1930er Jahren

schnell mit der nationalsozialistischen

Herrschaft in Konflikt gerät und mehrfach

verhaftet wird. Er taucht gegen Ende des

Zweiten Weltkrieges mit seinem Sohn in

den Untergrund ab, auch um ihn vor dem

Kriegsdienst zu bewahren.

Schon während des Krieges kommt es

bei Hrdlicka zu den ersten künstlerischen

Versuchen, und so beginnt er 1946 sein

Studium der Malerei an der Akademie der

Bildenden Künste Wien. Nach erfolgrei-

chemAbschluss tritt er 1953 der Bild-

hauerklasse Fritz Wotrubas bei. Seinen

internationalen Durchbruch erfährt er

1964 mit der Teilnahme an der XXXII.

Biennale in Venedig als Vertreter Öster-

reichs. Es folgen zahlreiche Ausstellungen

und öffentliche Aufträge für Skulpturen,

wobei letztere in den meisten Fällen zu

grosser öffentlicher Empörung führen. Ab

den 1970er Jahren hat Hrdlicka diverse

Professuren inne, u.a. an der Staatlichen

Akademie der Bildenden Künste Stutt-

gart, der Hochschule für bildende Künste

Hamburg, der Universität der Künste Berlin

und der Universität für angewandte Kunst

Wien. Er beeinflusst somit eine ganze

Generation von Künstlern.

Nach den Erfahrungen und Greultaten

des Zweiten Weltkrieges und des Dritten

Reichs wenden sich die meisten euro-

päischen Künstler der Abstraktion zu, da

für sie das Erlebte gewissermassen das

Figürliche in der Kunst nicht mehr möglich

macht. Ganz anders reagiert dagegen

der überzeugte Kommunist Hrdlicka – in

seinemOeuvre steht nach wie vor der

menschliche Körper imMittelpunkt, so

dass er sich an der expressionistischen

Kunst der Vorkriegszeit orientiert.

Zudem ist für ihn Kunst immer politisch;

in seinen Augen muss ein Künstler mit

seinen Werken den gesellschaftlichen Zu-

stand aufzeigen, analysieren und kritisie-

ren. Dies geht aber nicht mit den Mitteln

der Abstraktion. Auch wenn für Hrdlicka

Kunst immer politisch ist, ist die Abstrak-

tion dann in gewissem Sinne ein Kom-

mentar ohne Stellung zu beziehen, was er

sein lebenlang ablehnen wird. In diesem

Zusammenhang sind auch die zahlreichen

Skandale um seine öffentlichen Denkmäler

einzuordnen: Hrdlicka hat eine klare politi-

sche Meinung und historische Sichtweise,

die er in seinen Werken vertritt, ohne auf

gesellschaftliche Befindlichkeiten Rück-

sicht zu nehmen.

Die vorliegende, grossformatige Zeich-

nung von 1967 ist in eine ganze Reihe von

vergleichbaren Arbeiten in Technik und

Grösse einzuordnen, die sich in seinem

Oeuvre immer wieder finden. Skizzenhaf-

te, kaum erkennbare Gestalten stehen im

Kontrast zu klar umrissenen, mit kräftiger

Kontur gemalten, Figuren. Nur drei Figuren

stehen mit demGesicht zum Betrachter,

sonst sehen wir alle Dargestellten nur im

Profil. Die thematische Einordnung gibt

der Titel vor, ohne dem Betrachter aber

Anhaltspunkte zu geben, in wie fern es

sich um die Geschichten von „1001 Nacht“

handeln soll, von denen wir ja eine klare

Vorstellung haben.

Effektvoll spielt der Künstler mit unseren

Erwartungen, den Kontrasten von Hell

und Dunkel sowie kräftigen und flüchtigen

Konturen, und es gelingt ihm so eindrück-

lich, der Zeichnung durch Malweise und

Grösse einen bildhaften Charakter zu

verleihen.

CHF 30 000 / 40 000

(€ 27 780 / 37 040)