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PostWar & Contemporary

3471*

TONY CRAGG

(Liverpool 1949 - lebt und arbeitet in

Wuppertal)

Discussion. 2005.

Holz. Unikat.

170 x 190 x 240 cm.

Provenienz:

- 2006 vom heutigen Besitzer bei Galerie

Thaddaeus Ropac, Paris, erworben.

- Seitdem Privatsammlung.

Ausstellung: Nürnberg 2005/2006, Tony

Cragg. Familiae. Neues MuseumNürnberg,

22. Oktober 2005 - 15. Januar 2006.

„Meiner Vorstellung nach funktionieren die

Rational-Being-Skulpturen aber anders,

nämlich umgekehrt: Du betrachtest die

Arbeit und siehst ein Gesicht, und das

Sehen des Gesichtes führt den Blick in das

Material hinein, und dann schaust du auf

die anderen Formen. Und in demMoment,

in dem du wieder in die Formen gehst,

weg vomUmriss und der Oberfläche des

Werks, trittst du aus der normalen axialen

Ansicht der Arbeit heraus und fängst an,

aussergewöhnliche Erfahrungen skulptu-

raler Formen zu machen“ (zit. Tony Cragg,

in: Jon Wood imGespräch mit Tony Cragg,

in: Ausst.Kat. Neues MuseumNürnberg,

Tony Cragg. Familiae, 22. Oktober 2005 -

15. Januar 2006, S. 10).

Tony Cragg, 1949 in Liverpool geboren,

gehört zu den einflussreichsten und prä-

gendsten Bildhauern unserer Zeit. Allein

durch seine zahlreichen Lehrtätigkeiten,

bis hin zur Leitung der renommierten

Kunstakademie Düsseldorf, beeinflusst

er eine ganze Generation von Bildhauern.

Nach zahlreichen Preisen, wie demTurner

Prize 1988 und demCologne-Fine-Art-

Preis 2012, der Teilnahme an documenta

7 und 8 sowie zahlreichen Biennalen,

richtet ihm seine Heimatstadt Wuppertal,

ebenso wie die Eremitage in St. Peters-

burg, derzeit eine grosse Retrospektive

aus.

Tony Cragg hat in den vergangenen fünf

Jahrzehnten eines der abwechlungs-

reichsten skulpturalen Oeuvres in der

Zeitgenössischen Kunst geschaffen.

Von seinen frühen Werken in den 1970er

Jahren, die durch Fundstücke und deren

Anordnung und Präsentation geprägt

sind, über die sogenannten Early Forms, in

denen der Fokus auf der Form des Gefäs-

ses liegt, bis hin zu den Rational-Beings,

abstrakten Skulpturen in deren Konturen

menschliche Gesichter auftauchen. Dabei

handelt es sich aber nie um in sich abge-

schlossene, autarke Serien, sondern man

findet in jedemWerkkomplex dieselben,

aber abgewandelten bzw. angepassten

Motive: Gefässe/Organe, Achse/Wirbel-

säule und Haut/Oberfläche (siehe ebenda,

S. 18).

Die hier angebotene grossformatige

Skulptur gehört zu den sogenannten

Rational-Beings: Stehen wir als Betrach-

ter vor der Längsseite unserer Skulptur,

erschliesst sich die Idee einer Achse auf

den ersten Blick. Sie verläuft längs durch

die Arbeit, und wie bei einer Wirbelsäule

gibt es orthogonale Neigungen, die in

diesem Fall als Stützen dienen. Zudem

scheinen sich Scheiben unterschiedlicher

Grösse, Dicke und Form um diese Achse

anzuordnen, die zum einen Dynamik

verleihen und zum anderen trotz der

Grösse Leichtigkeit. Gehen wir aber zur

Querseite, verändert sich unsere Wahr-

nehmung vollkommen. Aus der schlan-

ken, schwebenden Fläche wird eine fast

quadratische, gedrungene Form, die sich

zu teilen scheint. Vollkommen abstrakt

von der Seite, schauen sich hier nun zwei

zueinander gewandte Gesichter an. Auf

beeindruckende Weise gelingt es Cragg,

diese unterschiedlichen Wahrnehmungen

in einemWerk zu verbinden, ohne dabei

Irritationen beim Betrachter zu erzeu-

gen, sondern eine absolut harmonische

und konzeptionell stimmige Skulptur zu

erschaffen.

Durch die Verwendung des Holzes hat

diese Arbeit eine einzigartige Oberflä-

chenstruktur. Die Maserung des Materials,

sowie die Schichtung beim Entstehungs-

prozess schaffen eine fast malerische

Oberfläche. Anders als bei den blank

polierten Stahlskulpturen, verleiht diese

Oberfläche demWerk Wärme und grosse

Intimität. Auf diese Weise kann der Be-

trachter der Diskussion zwar beiwohnen,

aber er wird nicht, wie bei den blank polier-

ten Werken, durch sein Spiegelbild Teil der

Diskussion bzw. der Skulptur.

CHF 300 000 / 400 000

(€ 277 780 / 370 370)