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PHOTOGRAPHIENMICHEL COMTES AUS EINER EUROPÄISCHEN PRIVATSAMMLUNG
Michel Comte, 1954 in Zürich geboren, zählt international zu den grossen Bildchronisten und Modephotographen unserer Zeit. Als
ausgebildeter Kunstrestaurator findet Comte autodidaktisch seinen Weg zur Photographie, und es gelingt ihm rasch einen Fuss im
hart umkämpften Geschäft zu fassen. Zu Beginn seiner Karriere arbeitet er als Photograph für den Zürcher Modemacher Hannes B.
Den Durchbruch schafft er 1979 mit jungen 25 Jahren durch eine Werbekampagne, die er für die Firma Chloé und den Designer Karl
Lagerfeld realisieren kann. Schnell folgen weitere Aufträge für international bekannte Modelabels wie Armani, Versace, Ungaro, Dolce&
Gabbana, Gap, Nike, u. v. m. Ab 1981 arbeitet Comte für die Vogue und die Vanity Fair in New York, und später in Los Angeles. Dabei
entstehen auch die ersten Portraits von Stars wie Sophia Loren, Tina Turner, Catherine Deneuve und Mike Tyson. Schnell wird Comte zu
einem der angesagtesten Mode- und Portraitphotographen für Zeitschriften und Magazine und kann sich vor Aufträgen kaum retten.
Nebst Persönlichkeiten aus Film, Musik und Sport photographiert Comte auch zahlreiche Stars und Celebrities: Sharon Stone, Robbie
Williams, Elijah Wood, Sylvester Stallone, George Clooney, Helena Christensen, Boy George, Whitney Houston, Pamela Anderson, Demi
Moore, Miles Davis, Jeremy Irons - die Liste scheint endlos zu sein. Zu seinen bekanntesten Portraits gehört eine Schwarzweisspho-
tographie von 1993 des ehemaligen Models und Ehefrau Nicolas Sarkozys, Carla Bruni, auf der sie sich hüllenlos dem Photographen
offenbart. Der bekannte deutsche Filmkritker Michael Althen sagte einmal: „Die Stars mögen ihn. Vielleicht ist es der vertrauenser-
weckende Schweizer Tonfall, der ihm in dieser luftigen Branche etwas Solides verleiht“ (zit. nach Achermann, 1999, n.p.). Viele weitere
Berühmtheiten lassen sich nackt, intim, in sinnlichen und erotischen Posen in vermeintlich privaten Augenblicken ablichten. Comte
sagt dazu: „Es geht immer um das Vertrauen“ (Michel Comte zit. nach Kat. Museum für Gestaltung Zürich und NRW ForumDüsseldorf,
2008, S. 7.) und um das „Wissen, wie man Menschen kriegt, dazu kriegt, dass sie etwas für einen tun, und – besser noch – dass sie es
gerne tun. Sieht am Ende dann einfach besser aus.“ (zit. nach Achermann, 1999, n.p.).
Neben seinen Mode- und Society-Aufnahmen hat sich Comte vor allem einen Namen mit Photoreportagen aus Krisenherden und
Kriegsgebieten gemacht: Kambodscha, Tibet, Ruanda, Irak, Ägypten, Sudan, Bosnien, und Haiti – die Krisengebiete der 80er und 90er
Jahre während und nach dem Kalten Krieg. Egal ob imChina nach Mao, dem Krieg in Afghanistan, den Auswüchsen des Golfkrieges, es
geht ihm darum die Ambivalenz vom Kriegsschauplatz ins Wohnzimmer zu bringen. Er möchte die Menschen auf Missstände hinweisen
und für die Gegensätze und Widersprüche der Welt sensibilieren, ohne dabei den Betrachter anzuklagen oder zu verurteilen. Comte
wird in diesemZusammenhang häufig als Vertreter der „Concerned Photography“ genannt. „Wenn es uns gelingt, die Leute zumNach-
denken zu bringen, haben wir schon etwas erreicht.“ (Michel Comte zit. Achermann, 1999, Vorwort).
Seine Bilder sind brutal und poetisch zugleich. Mit seiner furchtlosen Neugier führt er uns an zwei gegensätzliche Welten, deren Wider-
sprüche uns an die Existenz des Menschen erinnern sollen: „Das Problemmit Fotos von Armut und Krieg ist: Am Ende sind sie immer
ästhetisch.“ (Michel Comte zit. nach Kat. Museum für Gestaltung Zürich und NRW Forum, 2008, S. 14). Über die Hälfte seiner Arbeit
widmet er ehrenamtlichen Projekten. Er arbeitete für das Rote Kreuz und Terre des Hommes. Die Bildhonorare gehen an Bedürftige
und Opfer überall auf demGlobus.
„Michel Comte ist ein Kreuzritter der Photographie; ein Wanderer, ein Abenteurer, ein Nomade mit Kamera“
Geraldine Chaplin zit. nach Achermann, , 1999 (Vorwort)
In den heutigen Tagen werden wir durch die Omnipräsenz der Medien mit Bildern aus Syrien, der Ukraine und Afghanistan überflu-
tet, förmlich zugeschüttet. So gewinnen Comtes Bilder wieder an Aktualität und verdienen zur Aufklärung und Nachdenken über die
Kriegsberichterstattung besondere Aufmerksamkeit.
Comte schafft es in seinen Photographien die unterschiedlichsten Lebenswelten zusammenzuführen und besticht durch die Breite
seines photographischen Werkes. Kaumwidersprüchlicher könnte seine Person sein: Zwischen Glamour, Hollywood, Image, Mode,
Reichtum, Jetset, Überfluss, über commercial Jobs und Aktphotographien, hin zu Photoreportagen und Dokumentarphotographien
aus Elendsregionen und Kriegsgebieten. „Wenn ich mich nicht in diesen beiden Welten bewegte, würde ich niemals so viele Menschen
mit meiner Arbeit berühren. Ich kann unmöglich drei Monate hintereinander Mode fotografieren. Das packe ich nicht, da werde ich
verrückt.“ (Michel Comte zit. nach Kat. Museum für Gestaltung Zürich und NRW ForumDüsseldorf, 2008, S. 4-5).
Michel Comtes Ruf als international angesehener Photograph ist heute unbestritten, und seine Bilder werden auf internationalen
Ausstellungen in Wien, Paris, Mailand, Istanbul, Brüssel, Lugano, St. Moritz, Zürich und Berlin gezeigt. Hervorzuheben ist an dieser Stelle
insbesonders die Ausstellung imMuseum für Gestaltung Zürich, die vom 31. August 2009 bis 3. Januar 2010 stattfand und einen
retrospektiven Einblick in das Schaffen des Künstlers bat (vgl. Kat. Museum für Gestaltung Zürich und NRW ForumDüsseldorf, 2008).
Darüber hinaus erzielten schon einige seiner Bilder auf internationalen Auktionen in London und New York Spitzenresultate.
Comte lebt in New York und arbeitet weiterhin als Photograph.
Die hier angebotenen Werke stammen aus einer europäischen Privatsammlung und vereinen die Werkgruppen Tibet, Ägypten, Sudan,
und Haiti, sowie auch Portraits von Stars wie Mike Tyson, Gary Oldman, Geraldine Chaplin, Sophia Loren und einigen Aktaufnahmen von
Models.
Literatur::
Achermann, Beda (Hrsg.). Michelcomte, Twenty Years 1979-1999, München, Paris, London, 1999.
Katalog Museum für Gestaltung Zürich und NRW ForumDüsseldorf (Hrsg.). Michel Comte - 360°. Düsseldorf, 2008.