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Ordo Officii in Parasceve - Vincent Raymond

(akt. 1535-1557), zugeschrieben. Ordo für das

Karfreitags-Officium für einen Bischof. Latei-

nische Handschrift auf geglättetem Pergament.

Möglicherweise Fragment aus einem grösseren,

alle Officien der Karwoche umfassenden Ordi-

nes-Manuskript. Mit 44 zweizeiligen Initialen in

Farben und Gold mit Illumination „en camaïeu“

auf schwarzem Grund, jeweils mit figürl. u.

floralen Zierleisten und 123 einzeiligen Initialen

und 16 Kreuzen jeweils in Gold u. Farben. Rom,

um 1547. Folio. Blattgrösse 38,9 x 28,1 cm.

Schriftspiegel: 25,5 x 17 cm. [47] Bll. 15 Zeilen

Text und Noten. Rotunda in Rot und Schwarz-

braun, sowie schwarzbraune Quadratnoten auf

3-4 roten Linien. Moderner Pergamentband mit

Goldschnitt (Deckel etwas verzogen, Innen-

gelenke leicht angeplatzt), in HLn.-Schuber

(Kanten leicht berieben).

Sehr sorgfältig geschriebene und sehr reich

ausgestattete Renaissance-Prunkhandschrift,

möglicherweise für die Sixtinische Kapelle

entstanden. Die grossen illuminierten Initialen

stehen jeweils zu Beginn der verschiedenen

Teile des Officiums und weisen eine hochinter-

essante, auf das Karfreitagsgeschehen bezogene

Ikonographie auf: Hosea VI, fol. 2r: kreuztra-

gender Christus mit Grisaille Totenschädel -

erstes Gebet, fol. 3v: Marterwerkzeuge Hammer

und Zange mit gekreuzten Geisseln - Exodus

XII, fol. 4r: Kreuznägel und Dornenkrone mit

Lanze und aufgespiesstem Essigschwamm -

Johannes-Evangelium, fol. 7r: betender Christus

am Ölberg, mit Dornenkrone und Geisseln

geschmücktes Kreuz - Bitte des Joseph von

Arimathia um den Leichnam Christi, fol. 17r:

Kreuznägel und Würfel, mit denen die Kechte

um Christi Rock spielten - Beginn der allge-

meinen Gebete, fol. 18v: Hohepriester Anas

mit Kreuzesnägeln - Beginn der Gebete für die

Kirche, fol. 19v: Geisseln und Säule - Oratio für

den Papst, fol. 21r: die Hand, die Jesu geohrfeigt

hat mit dem Geldbeutel Judas - Fürbittegebete

für den Papst, fol. 21v: alle Marterwerkzeuge,

Kreuz, Geisseln, Lanze und Schwamm - Für-

bittegebete für den Klerus, fol. 22r: Dornenge-

kröntes Haupt Chrisi - Fürbittegebete für den

„corpus ecclesiae", fol. 23r: Wasserkrug und

Waschbecken für die Handwaschung Pilatus' -

Fürbittegebet für den Kaiser, fol 23v.: Hammer

und Zange - Fürbittegebet für das römische

Reich, fol. 24r: Portrait des Hohenpriesters

Kaiphas - Gebet "pro cathecuminis", fol 24v: 3

Kreuzesnägel - 2. Gebet "pro cathecuminis", fol

25r: Haupt Christi mit Heiligenschein - Gebet

für die Kranken, Reisenden und Gefangenen,

fol. 25v: 3 Würfel - Gebet für die Unglückli-

chen, fol. 26v: Hammer und Zange - Gebet für

die Häretiker und Schismatiker, fol. 27r: Beutel

Judas' mit 30 Dinaren - 2. Gebet für die Häre-

tiker, fol. 27v: "volto santo" (ohne Dornenkrone

und Heiligenschein) - ab hier in Wiederholung. -

Der sehr präzise, aber auch kühle Stil der

Illumination ist bezeichnend für den einzigen

Miniaturisten, der in den Akten der „tresoreria

secreta“ des Vatikans für die Jahre von 1535-1549

für seine Illuminationen für liturgische Manu-

skripte für die sixtinische Kapelle aufgeführt

wird: den aus dem Languedoc stammenden

Vincent Raymond. Er arbeitete unter den Päps-

ten Leo X., Clemens VII. und Paul III.; dieser

erhob ihn 1549 zum offiziellen Miniaturisten der

päpstlichen Kapelle. Als Raymonds Hauptwerk

gilt der Psalter Pauls III. von 1542 (heute MS lat

8800 der Bibliothèque Nationale in Paris), der

genau dieselbe Art von Initialen „en camaïeu“

aufweist. Im ganzen Manuskript ist der Einfluss

Raffaels und Michelangelos wie auch von

Pierino del Vaga und Giovanni da Udine stark

spürbar, deren Werke in den vatikanischen

Gemächern und den päpstlichen Appartements

in der Engelsburg er sicherlich gut kannte.

Nachweislich war Vincent Raymond an der

Ausschmückung des „uffiziolo di Madonna“

beteiligt, das von Benvenuto Cellini gebunden

wurde und das heute verloren ist. Die stilistische

Nähe der vorliegenden Illumination zu den

gesicherten Werken Vincent Raymonds lässt die

Zuschreibung an den Meister zu (vgl. dazu. L.

Dorez, Psautier de Paul III. Paris 1909).

In den Rändern schwach gebräunt, stellenweise

nur leicht fingerfleckig. Erste und letzte Blatt

mit kl. Wurmlöchlein (vorne im weissen Rand,

hinten mit minimalem Textverlust). Text teils

leicht abgerieben. Vereinzelt kleine Blattläsuren

aufgrund von Bereibung (im weissen Rand), fol.

3v in den Rändern stärker berieben. Auf fol 93r

kl. Farbverwischung im weissen Rand. Insge-

samt in sehr guter Erhaltung und mit schönem,

farbfrischen Kolorit.

CHF 40 000 / 50 000

(€ 37 040 / 46 300)

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