Impressionismus & Klassische Moderne
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3214* LOVIS CORINTH(Tapiau 1858 - 1925 Zandvoort)
Tulpen, Flieder und Kalla. 1915.
Öl auf Leinwand.
Oben links signiert: Lovis Corinth, sowie
oben rechts datiert: 1915.
62 x 50 cm.
Wir danken Frau Dr. Bettina Best für die
wissenschaftliche Unterstützung.
Provenienz:
- Galerie Thannhauser, Berlin.
- Graphisches Kabinett, Bremen.
- Privatsammlung Österreich.
Ausstellungen:
- Wuppertal 1999, Lovis Corinth. Von der
Heydt Museum, Nr. 34 (mit Abb. S. 131).
Literatur:
- Berend-Corinth, Charlotte: Die Gemälde
von Lovis Corinth. Werkkatalog. Mit einer
Einführung von Konrad Röthel, München
1958, Nr. 647, S. 137 (mit Abb. S. 640).
- Berend-Corinth, Charlotte/Hernad,
Béatrice: Lovis Corinth. Die Gemälde.
Werkverzeichnis. Mit einer Einführung
von Hans-Jürgen Imiela, München 1992,
Nr. 647, S. 151 (mit Abb. S. 670).
Eigenständige Stillleben spielen im Früh-
werk Corinths kaum eine Rolle. Seit Ende
des ersten Jahrzehnts nach der Jahrhun-
dertwende dagegen widmet er sich ihnen
immer häufiger und sie beginnen eine
bedeutende und zentrale Rolle imŒuvre
des Künstlers einzunehmen.
Verantwortlich dafür mögen mehrere
Gründe gewesen sein. Darunter Corinths
Tätigkeit als Lehrer einer Malschule für
Frauen, seine Frau Charlotte als Impuls-
geberin, die ihn mit Blumen aus depres-
siven Stimmungen heraus zumMalen zu
verführen verstand und nicht zuletzt sein
ihn körperlich einschränkender Schlagan-
fall im Jahre 1911. Darauf beginnt er sich
intensiv mit der Natur, den Blumen und
den Landschaften auseinanderzusetzen,
die schliesslich gegen Ende sein Werk
dominieren.
"Natur in all ihren Bildungen festzuhalten
und hervorzubringen, bauend und zerstö-
rend zugleich wie die Natur selbst und so in
allem ein Teil von ihr zu werden, das ist mit
und nach Goethe das Credo von Corinth
[...]. Corinths Malerei ist das Äquivalent
dieser Schöpferkraft der Natur. Malerei
als natura naturans, das ist jene, wohl von
Ludwig Justi erstmals gebrauchte Formel,
die jenen so verwirrenden Doppelaspekt
der Malerei Corinths erfasst: einerseits
die malerische Materialisation aller Dinge
der Natur und damit zugleich ein maleri-
scher Hymnus auf die Schöpfung und das
Leben, andererseits die Verwandlung der
gesamten Natur in Malerei und damit die
Dematerialisierung und Spiritualisierung
aller Gegenstände, ihre Aufhebung in
jene Autonomie und Unwirklichkeit reiner
Malerei, die Lovis Corinth als höchstes
Ziel formuliert hat." (Peter Klaus Schuster:
"Malerei als Passion. Corinth in Berlin",
Ausst. Kat. München, Berlin, 1996, S. 54 f.)
Das vorliegende Blumenstillleben schafft
Lovis Corinth als 57-Jähriger an einem
Höhepunkt in seiner Karriere. Er wird im
Jahr 1915 zum Präsidenten der Berliner
Sezession wiedergewählt und organisiert
nun die Sezessionsausstellung im neuen
Ausstellungsgebäude am Kurfürsten-
damm. Er beschickt sie mit vier Werken,
darunter zwei Stillleben, die unmittelbar
vor und nach unserem Blumenstillleben in
der Berliner Klopstock-Strasse geschaffen
worden sind.
Unter demZusammenspiel der Blütenfar-
ben bilden die beiden Callas in der Höhe und
eine weisse Blüte unten am Krug die hellsten
Lichtpunkte imGemälde. Viele weitere
weisse Höhungen lassen nicht nur ein
positives, helles Licht verspüren, sondern
suggerieren auch eine gewisse Qualität der
Blüten.
Es ist eine Malerei an der Schwelle zwischen
Gegenstandsbezeugung und autono-
mer Malerei, fliessend zwischen Licht und
Dunkel, Blühen und Vergehen, mit höchster
Intensität in Farbe und Duktus, bei äussers-
ter Zartheit der Substanz der Blüten – aber
auch der Härte des bauchigen Glases sowie
des eckigen Buches.
Auch wenn Corinths Gemälde für den
Doppelaspekt aus Lebensfülle und Todes-
nähe bekannt sind, dominiert in "Tulpen,
Flieder und Kalla" ersteres. Unser Werk wirkt
durch den neuen expressiven Stil mit den
kurzen, pulsierenden Pinselstrichen und den
leuchtenden Farben besonders kräftig. Der
künstlerische Drang nach Freiheit kommt
hier imDuktus Corinths stark zur Geltung
und bringt den Lebenswillen des Künstlers
zumVorschein.
CHF 220 000 / 280 000
(€ 203 700 / 259 260)