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Schweizer Kunst

3100 MORACH, OTTO

(Hubersdorf 1887 - 1973 Zürich)

Prozession in Solothurn. Um 1917. Verso

eine Ansicht von Meiringen. Um 1915.

Öl auf Leinwand.

Unten links signiert: O. Morach.

90 x 71 cm.

Provenienz:

- Sammlung K. und H. Liechti, Grenchen.

- Sammlung Dr. Karl Obrecht, Küttigkofen.

- Schweizer Privatbesitz.

Ausstellungen:

- Bern, 18.1.-15.2.1925, Otto Morach,

Kunsthalle Bern, Nr. 81.

- Zürich, 30.3.-30.4.1966, Otto Morach

- Gemälde Retrospektive Ausstellung.

Otto Münch Skulpturen - Gedächtnis-

ausstellung, Helmaus Zürich, Nr. 10.

- Solothurn, 18.2.-15.3.1967, Otto Mo-

rach, Galerie Bernard Solothurn, Nr. 8.

- Winterthur, 18.1.-8.3.1970, Kubismus,

Futurismus, Orphismus in der Schweizer

Malerei, KunstmuseumWinterthur, Nr.

131.

- Thun, 19.6.-8.8.1971, Arnold Brügger,

Otto Morach - Die frühen Werke, Kunst-

sammlung der Stadt Thun, Thunerhof,

Nr. 122.

- Olten, 9.9.-5.11.1972, Otto Morach zum

85. Geburtstag, KunstmuseumOlten,

Nr. 24.

Literatur:

- Wullimann, Peter: Otto Morach - Leben

und Hauptwerk des Malers, Soloturn

1970, S. 19 und S. 95.

- Schaller, Marie-Louise: Otto Morach - Mit

einem kritischen Katalog der Staffelei-

bilder, S. 141, Nr. 88 (die Rückseite um

1915) und S. 110, Nr. 110 („Prozession in

Solothurn“ um 1917).

Otto Morach lebte während des Ersten

Weltkriegs in der Schweiz, obwohl ihn das

Fernweh plagte und er diese Jahre lieber

in Paris oder in einer anderen grösseren

Stadt als in Solothurn verbracht hätte.

Dennoch meint Marie-Louise Schaller in

ihremWerk über Otto Morach zur Zeit

zwischen 1914-1918: „VomGesamtwerk

her betrachtet, war diese Zeit (jedoch)

äusserst fruchtbar. Morach schuf damals

jene Werke, die heute in der Gunst des Pu-

blikums und der Kritiker stehen“ (Schaller

1983, S. 27). Der junge Morach gehört zur

künstlerischen Avantgarde und fordert so

den Blick des Betrachters ganz besonders

heraus. Wie die Kubisten legt er verschie-

dene Darstellungsebenen über- oder

nebeneinander und löst daruch die direkte

Perspektive auf. „Das futuristische Bestre-

ben, den Betrachter nicht ausschliesslich

als Augenmenschen anzusprechen,

sondern möglichst alle Sinne anzuregen

und zu sensibilisieren, hat Morach in einer

Reihe von Bildern weitergeführt, welche

die Fronleichnamsprozession in Solothurn

darstellen“ (ebda. S. 32). Der Künstler

malt die Prozession in Solothurn in einem

wunderbar anschaulichen abstrahierenden

Prozess innerhalb von drei Versionen. Die

erste entstand bereits im Jahre 1916 und

befindet sich heute in Privatbesitzt. Die

zwei darauffolgenden, abstrakter interpre-

tierten Versionen entstehen in den Jahre

1917 und 1918. Das letztere befindet sich

heute im KunstmuseumOlten. Beim 1917

entstandenen handelt es sich um das hier

angebotene Gemälde.

Thema dieses Gemäldes ist die Froh-

nleichnams-Prozession, unter deren

Teilnehmer sich Jugendliche mit roten

Fahnen zumZeichen ihres kommunisti-

schen Protestes gemischt haben. Bereits

in Olten wurden zuvor kirchliche Anlässe

zu demonstrationszwecken genutzt.

Möglicherweise – so auch die überlieferte

Meinung des Künstlers selber – haben sich

die Fahnenträger aber schliesslich entge-

gen ihrer ursprünglichen Absicht, die Pro-

zession aus politischen Überzeugungen

zu stören, auf Grund ihrer traditionellen

Verankerung im Katholizismus dennoch

als geordnete Teilnehmer imZuge der

Gläubigen eingereiht.

Obwohl die Thematik des Gemäldes

politische Inhalte voraussetzt, ist dieses

Werk nicht politisch zu interpretieren.

Otto Morach beobachtet das Geschehen

als zeitgenössischer Künstler, der sich für

den Rhythmus der Bewegung, für Formen

und Farben interessiert und uns heutige

Betrachter wie durch ein optisches Prisma

in den Gesamtrhytmus der durch die

wogende Menschenmenge evoziierten

Dynamik miteinbezieht.

Die Rückseite der Leinwand hat Morach

zwei Jahre zuvor, 1915, mit einer Land-

schaft bei Meiringen ebenfalls bemalt.

Damals weilte der Künstler im Berner

Oberland. Es ist nicht ungewöhnlich, dass

Morach sowohl Rück- als auch Vorderseite

eines Bildträgers bemalt hat, wiederspie-

gelt dies doch auf besondere Art ebenfalls

die Sehnsucht des Künstlers, Perspektiven

aufzulösen und Bewegung festzuhalten.

CHF 30 000 / 40 000

(€ 27 780 / 37 040)

3100 (verso)