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PostWar & Contemporary
3436* LUCIO FONTANA(Rosario/Argentinien 1899 - 1968 Com-
abbio)
Natura morta. 1950-55.
Teller. Keramik bemalt in Braun, Gelb, Rosa,
Grün und Blau, glasiert.
Mit der eingeritzten Signatur: L. Fontana.
Durchmesser 50 cm.
Das Werk ist in der Fondazione Lucio Fon-
tana, Mailand, unter der Nummer: 3357/1
registriert. Wir danken demArchiv für die
freundliche Unterstützung.
Provenienz: Ehemals Privatsammlung
Italien.
„Fontana zielte auf den Kosmos, die Wis-
senschaft, die Ideen, und nicht darauf, der
Malerei eine neue Richtung zu geben oder
das Kunsthandwerk auf der Rangliste der
künstlerischen Medien ein Treppchen nach
oben zu schieben. Er ist ein protopypischer
Konzeptkünstler, bei dem die Idee Vorrang
vor der Ausführung erhält.“ (zit. Markus
Heinzelmann, in Ausst.Kat.: Keramische
Welten. MuseumMorsbroich, 25. Mai – 31.
August 2014, Leverkusen 2014, S. 23).
Diese Einschätzung Fontanas von Markus
Heinzelmann ist grundlegend, um die
Bedeutung der Keramik für Lucio Fontana
zu begreifen. Bereits ab 1935 sammelt er
Erfahrungen in den Keramikwerkstätten
in Albissola Mare und 1937 dann auch in
Sèvres, so dass er das Material genaues-
tens kennt, bearbeiten kann und, wie man
sieht, perfekt beherrscht. Das weiche,
formbare Material ermöglicht es ihm zu
experimentieren und so kommt es auch,
dass die ersten Schnitte (Tagli) in kerami-
schen Arbeiten entstehen, bevor er sie
dann bei Gemälden einsetzt. In Fontanas
Kunst geht es um die Idee (concetto) und
beimAusloten und Weiterentwicklen eben
dieser, spielen Gattungen oder Techniken
keine Rolle.
Der hier angebotene Teller ist ein wunder-
bares Beispiel zum einen für seine kera-
mischen Arbeiten, zum anderen aber vor
allem für sein Konzept und dessen kons-
quente Durchführung. Wie eine Leinwand
im klassischen Sinne bis zu Fontana immer
2-dimensional gewesen ist, so ist ebenfalls
ein Tellerfond immer flach gewesen, um
ihn benutzen zu können. Lucio Fonta-
na bricht mit all diesen Traditionen: die
Leinwand wird zerschnitten und somit in
die 3-Dimensionalität geöffnet; der Fond
des Tellers wird modelliert, so dass auf
demTeller eine Skulptur entsteht, die den
Raum erweitert. Zudem finden sich auch
in unseremTeller Schnitte, mit denen
der Künstler demTeller seine eigentliche
Funktion entzieht und dafür vollkommen
seinem Konzept unterstellt.
Die ausserordentliche Bedeutung seines
keramischen Oeuvres zeigt sich auch
in dem Einfluss, den es auf die ihn direkt
nachfolgenden Künstler, wie den ZERO
Künstlern, aber auch auf die nächste
Künstlergeneration wie Thomas Schütte,
Rosemarie Trockel und Norbert Sprangen-
berg hat.
CHF 60 000 / 80 000
(€ 55 560 / 74 070)