

(getauft 1491 in Pistoia)
Die Verkündigung.
Öl und Goldgrund auf Holz.
Unten mittig signiert: LEONARDVS F. BER-
NARDINI DEPiSTORio P.
178,3 x 148,9 cm.
Provenienz:
- Privatsammlung, Genua, 1878.
- Auktionsmarkt London, 1890er.
- Sammlung Tomás Harris, London.
- Sammlung Otto Froehlich, Wien.
- Privatsammlung, Spanien, 1927 (für 425,000
pesetas erworben).
- Durch Erbfolge, europäische Privatsammlung.
- Schweizer Privatsammlung.
Literatur:
- Capponi, V.: Biografia Pistoiese, Pistoia 1878,
S. 421.
- Nerucci, G.: Bollettino storico pistoiese, I,
1899, S. 160.
- Gronau, G. D.: Una tavola di scuola pistoiese,
in: Rivista d‘Arte, Jahr XI, Nr. 2, April - Juni
1929, S. 214-219, Abb. 1.
- D‘Afflito, C. / Falletti, F. / Muzzi, A.: L‘Età di
Savonarola: Fra‘ Paolino e la Pittura a Pistoia
nel primo ‚500, Ausst. Kat. Pistoia, Palazzo
Comunale, 24.4.- 31.7.1996, S. 141 und 143.
Das hier angebotene Gemälde, welches erst vor
einigen Jahren nach mehreren Jahrzehnten in
einer spanischen Privatsammlung wieder auf-
tauchte, ist das bisher einzige bekannte signierte
Werk des toskanischen Meisters Leonardo di
Bernardino da Pistoia und damit von ausseror-
dentlicher kunsthistorischer Bedeutung für die
Rekonstruktion seines Oeuvres. Eine kürzlich
durchgeführte, sorgfältige Konservierung erlaub-
te es zudem, den exzellenten Erhaltungszustand
dieser Tafel zu Tage zu bringen.
Leonardo di Bernadino da Pistoia war der Bru-
der des bekannten Malers Fra‘Paolino da Pistoia
(1490-1547). Beide wurden durch ihren Vater
Bernardino d‘Antonio del Signoraccio ausge-
bildet. Der Einfluss des Vaters macht sich nicht
zuletzt in der Signatur unseres Gemäldes be-
merkbar, welche durch ihre verschachtelte Kal-
ligrafie geschickt in der Architektur eingebettet
ist. Diese Besonderheit findet sich vermehrt in
Werken Bernardino del Signoraccios wieder,
ebenso wie die detailreichen architektonischen
Elementen und die fein ausgeführten Figuren,
so beispielsweise in seiner Sacra Conversazione
in der Chiesa di San Vitale in Pistoia, welche
wohl kurz vor unserem Gemälde entstanden sein
muss (siehe D‘Afflito u.a. 1996, Kat. Nr. 11, S.
138-140).
Doch Leonardo di Bernardinos Werk wäre
ohne die Malerei des florentinischen Meisters
Fra Bartolomeo (1472-1517) nicht denkbar.
Der Einfluss des toskanischen Meisters macht
sich in unserem Gemälde in mehrerer Hinsicht
bemerkbar, insbesondere im Vergleich mit seiner
1497 ausgeführten Verkündigung in der Kathe-
drale von Volterra (siehe nächste Seite Abb. 1,
Padovani, S.: Fra Bartolomeo e la scuola di San
Marco, Ausst. Kat. Florenz 1996, Kat. Nr. 6, S.
57-60, mit Abb.). So kniet der Erzengel in unse-
rer Komposition in der gleichen Stellung wie in
Fra Bartolomeos Vorbild, und auch die segnende
Figur Gottes und des Heiligen Geistes in Form
einer Taube in der oberen linken Ecke finden
sich in beiden Kompositionen wieder. Hingegen
unterscheidet sich das Interieur, in welches
unsere Szene eingebettet ist, stark von Fra Bar-
tolomeos offenem Hintergrund mit Ausblick auf
eine italienische Landschaft. Der hier von Leo-
nardo di Bernardinos gewählte architektonische
Hintergrund verleiht der Szenerie einen spürbar
besinnlicheren und andächtigeren Charakter,
welcher durch die Symmetrie der Torbögen und
deren eleganten Goldverzierungen unterstrichen
wird. Auch in der Körpersprache der Maria
zeigt sich Leonardo di Bernardinos künstlerische
Eigenständigkeit. Der Einfluss beider Kompo-
sitionen macht sich schliesslich in der um 1520
zu datierenden Verkündigung, welche heute
Giovanni Antonio Sogliani zugeschrieben wird,
bemerkbar (siehe Padovani 1996, Kat. Nr. 89, S.
266-268). Darin findet sich sowohl die Stellung
der Figuren aus Leonardo di Bernardinos Kom-
position wie auch der offene Hintergrund aus
Fra Bartolomeos Gemälde wieder.
Insgesamt sind nur sehr wenige weitere Werke
Leonardo di Bernardino da Pistoias bekannt:
Eine Heilige Irene wurde 1899 bei Christie‘s
London versteigert (siehe Gronau 1929, S. 5,
Fussnote 1); eine Sacra Conversazione, deren
Zuschreibung zeitweise zwischen Fra‘ Paolino
und Bernardino del Signoraccio schwankte, be-
findet sich in der Chiesa di Santa Maria Assunta
in Lizzano (siehe D‘Afflito et al. 1996, Kat. Nr.
13, S. 141, Abb. S. 142); und schliesslich ein
Fresko in der Chiesa di Santa Maria a Ripalta
in Pistoia (siehe nächste Seite Abb. 2, ebd. Kat.
Nr. 14, S. 143). Die Zuschreibung dieser Werke
an Leonardo di Bernardino del Signoraccio
basieren ausnahmslos auf dem stilistischen
Vergleich mit dem hier angebotenen Werk,
welches als einziges signiert ist und bis zu seiner
Wiederentdeckung nur durch schwarzweiss
Fotografien bekannt war. Dabei gleicht jedoch
keines seiner bisher entdeckten Werke dem
hier angebotenen Hauptwerk des Künstlers
an Qualitätsgrad und Detailreichtum, das ein
Paradebeispiel für die toskanische Renaissance-
malerei darstellt.
CHF 180 000 / 250 000
(€ 166 670 / 231 480)
Gemälde Alter Meister
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