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1701

ZWEI SELTENE BÖTTGER PORZELLAN KOPPCHEN MIT

GOLDRELIEFEMAIL,

Meissen, um 1715. Golddekor wohl Dresden.

Applizierter Reliefdekor in Gold, jedes Koppchen leicht variiert verziert,

mit springendem Jagdhund und tanzendem Bär zwischen blühenden Blat-

tranken und je einem Jäger mit Jagdhorn, bzw. Vögeln zwischem ähnlichen

Blattrankenwerk und Einzelblüten. Auf den Innenseiten der Koppchen

springende Hasen auf einem Grasstreifen. Jede Unterschale mit einem

Vogelmotiv und umlaufenden Blumenfestons. Ritzmarke / auf den Innen-

seiten der Koppchen. Minimale Absplitterungen der Goldapplikationen.

H 4,9 cm; D 12,8 cm. (4)

Die Herkunft dieses Dekors wurde seit der massgeblichen Hausmaler-

publikation von 1925 durch Gustav Pazaurek, dem Dresdener Vergolder

und Emailleur Christoph Conrad Hunger zugeschrieben. Pazaurek unter-

schied damals die farbigen Reliefemail Dekore, durch eine Signatur von

Christoph Conrad Hunger belegt und wie hier reine Goldreliefdekore, die

zurückzuführen seien auf ähnlich bemalte Dresdener Glaspokale.

(Deutsche Porzellan und Fayence Hausmaler, 1925 (1971), Bd. 1, S.143-

151).

Die 'Biographischen Daten der Meissener Manufakturisten' von Rainer

Rückert aus dem Jahr 1990 liefern den genauen Lebenslauf des Goldarbei-

ters Ch. C. Hunger.

Er kam Anfang 1717 aus Frankreich nach Dresden, wo er Böttger kennen-

lernte, der ihm offenbar im selben Jahr bereits das geheime Masse-Arka-

num verraten haben soll, wie aus einem Brief des damaligen Manufak-

tur-Inspektors Steinbrück an den König hervorgeht. Im Juli kam Hunger

nach Meissen, wurde jedoch bald vom Kaiserlichen Gesandten in Dres-

den, Graf Vrimont, zur Flucht nach Wien überredet, wo er sich mit seiner

Kenntnis des Arkanums beworben hatte und sich 1718 ein Jahr lang um die

Herstellung von Porzellan bemühte. Dass Hunger zu Lebzeiten Böttgers,

in den wenigen Monaten des Jahres 1717, viel für Meissen getan haben

könnte, ist höchstunwahrscheinlich. 1718 wird schliesslich das Kaiserliche

Patent zur Wiener Porzellanmanufaktur angemeldet von Claudius In-

nocentius Du Paquier, dem Hunger bei der Entwicklung als 'Mit-Consorte'

zu Hilfe beigestanden hatte. Sein Ruf war zweifelhaft. Nach einer Inhaftie-

rung in Wien, flieht 1720 Hunger erneut, nach Venedig, wo ihm zwischen

1719 bis 1724 gelingt, in der Manufaktur Vezzi Porzellan herzustellen.

1727 kehrt er schliesslich nach Dresden zurück und wird nach längerem

hin und her, schliesslich durch Genehmigung vom König, August dem

Starken, neben George Funcke, dem Goldschmiedemeister seit 1710, ''bey

der Porcellain-Manufaktur zum emailliren mit Golde gebrauchet''.

1729 verlässt Hunger Sachsen, Richtung Berlin, später Schweden und

schliesslich Russland, wo er 1747 als Leiter der Petersburger Manufaktur

Winogradow erwähnt wird.

In den 'Biographischen Daten' vermerkt Rückert weiter, dass Dekore von

Hunger auf Meissener Porzellan bisher nicht identifiert wurden. Das ihm

zugeschriebene 'Hunger-Email', also Reliefgold auch mit Transluzidemail

Tupfen, sei von französischen Vorbildern abzuleiten.

(R.Rückert, Biographische Daten der Meissener Manufakturisten des 18.

Jahrhunderts, 1990, S.82 und S.162/163)

Vergleichbare Objekte in öffentlichen Sammlungen: Sammlung Un-

termyer, Metropolitan Museum New York, Kat. Taf.97. Dort zu weiteren

Beispielen: Darmstaedter Collection, von Klemperer Collection, V&A

Museum, London; Neapel, Villa Floridiana, Oppenheim Collection,

Tillmann Collection, Pazaurek Band I, 149, 151; Sammlung Hans Syz,

Washington 1979, S. 535. Übereinstimmung mit sächsischen Glaspokalen

mit Goldmalerei. Vgl. KGM Köln Katalog, S. 81, 82. Vgl. Abb. Seite 84:

Detail eines sehr ähnlichen Koppchens mit 'Katzentier' aus de Slg. Fritz

Klemm, versteigert in Berlin, Lepke 1907, Taf. 50, Abb. 209.

Ausserdem in der Sammlung Arnhold, vgl. Cassidy-Geiger, The Arnhold

Collectioin of Meissen Porcelain 1710-50, 2008, Nr. 317, 318.

CHF 10 000 / 15 000

EUR 9 300 / 13 900

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Kunstgewerbe |

Die Sammlung Max Fahrländer

1701