Previous Page  64 / 239 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 64 / 239 Next Page
Page Background

1077

KOMODE „A FLEURS“,

sog. „marqueterie au jasmin“, Louis XIV/

Régence, aus einer Pariser Meisterwerkstatt, um 1720/30.

Ebenholz, Palisander, Ahorn, Amarant, Sykamore und Kirsche allseitig

ausserordentlich fein eingelegt mit Blumenbouquets, Sphingen, Fabelwe-

sen, Blättern, Voluten, Kartuschen und Zierfries. Prismierter Korpus mit

vorstehendem, in Bronzestab gefasstem Blatt und vorstehenden Eckstollen

auf wellig ausgeschnittener Zarge mit kurzen, geschweiften Beinen auf

Bocksfüssen. Front leicht „en arbalète“ mit 3 Schubladen, die oberste

zweigeteilt. Vergoldete, teils ersetzte Bronzebeschläge, -hänger und -sa-

bots. Furnierergänzungen, Blatt mit Riss. 117x64x82 cm.

Provenienz: Privatbesitz, Schweiz.

Die Marketerie der hier angebotenen Kommode wird auch „peinture

en bois“ genannt; Einlegearbeiten dieser Art wurden oft nach Vorlagen

des französischen Malers Jean Baptiste Monnoyer (1636-1699) gefertigt

und waren von hervorragender Qualität. Eine in der Formgebung und

Marketerie sehr ähnliche Kommode gehörte zu einer Pariser Sammlung

und wurde in unserer Juni-Auktion 2003 (Katalognr. 1095) verkauft. Eine

weitere, ebenfalls nahezu identische Kommode ist abgebildet in: P. Ra-

mond, Chefs d‘Oeuvre des Marqueteurs, Paris 1994; S. 144f.; sie stammt

aus der Sammlung Gismondi. Eine weitere vergleichbare Kommode ist

abgebildet in: G. Janneau, Le mobilier français - le meuble d‘ébénisterie,

Brüssel o.J.; S. 21 (Abb. 20). Weitere, sehr ähnliche Kommoden befinden

sich im Victoria & Albert Museum in London, im Musée du Louvre und

im Musée des Arts Décoratifs in Paris. Bei all diesen Kommoden wird A.

Gaudron als möglicher Ebenist vermutet. Weitere, ähnliche Kommoden

mit nahezu identischer Marketerie wurden bei Sotheby‘s New York am

10.5.1995 (Katalognr. 126) und 20.10.2002 (Katalognr. 115) verkauft. Zwei

Kommoden mit praktisch identischer Marketerie, aber unterschiedlicher

Formgebung sind bekannt; beide werden dem Ebenisten A. Gaudron zu-

geschrieben. Über ihn weiss man sehr wenig, auch die Angaben über seine

Werkstatt sind spärlich. Man weiss lediglich, dass er in den letzten De-

zennien des 17. Jahrhunderts während der Regierungszeit von Louis XIV

in Paris tätig war, den „Garde-Meuble de la Couronne“, den Königshof,

Madame de Maintenon, den Duc d‘Anjou und de Chartres und den Prince

de Condé belieferte. Für sie fertigte er Schränke, Kabinette, Kommoden,

Bureaux und Tische, höchstwahrscheinlich arbeitete er dabei auch mit

seinen wichtigsten „confrères“ zusammen. Für seine Werke verwendete

er kostbare Edelhölzer und legte sie mit Leder, Elfenbein, Ebenholz und

Zinn ein. 1671 arbeitete er mit P. Gole und dem Maler Jean-Michel Picart

an einer Schätzung des Inventars von Henriette-Anne von England, der

Witwe von Charles I und Schwester von Louis XIII, was darauf hinweist,

dass er wohl einen bedeutenden Ruf genoss und exzellente Verbindungen

hatte. Bei der Schaffung der fantastischen Blumenarrangements für die

Marketerie dienten Gaudron höchstwahrscheinlich Stiche als Vorlagen;

seine Bekanntschaft mit Picart lässt jedoch vermuten, dass er sich auch

von dessen Gemälden inspirieren liess. Seit dem 17. Jahrhundert wurden

Edelhölzer, sog. „bois des îles“, aus den französischen Kolonien impor-

tiert. Die teuren Hölzer und ihre ausserordentlich aufwendige, schwierige

Verarbeitung führten dazu, dass sie nur von den bedeutendsten Ebenisten

verwendet wurden, wie z.B. von A.C. Boulle, P. Golle, A.J. Oppenordt

und A. Gaudron. Vom erstgenannten Ebenisten stammt ein für Château

de Versailles gefertigter Prunkschrank und ein Kabinett (heute in der

Wallace-Collection, London) die beide eine vergleichbare, teils identische

Einlegearbeit aufweisen wie die hier angebotene Kommode.

Lit.: G. Janneau, Le mobilier français - le meuble d‘ébénisterie, Lüttich

o.J.; S. 27-30 (Abb. 26 und 27, Schränke von A.C. Boulle mit analoger

Einlegearbeit). H.D. Malesworth/J. Kenworthy-Browne, Meisterwerk

der Möbelkunst aus 3 Jahrhunderten, München 1972; S. 56-58 (mit Abb.

vergleichbarer Möbel). P. Ramond, Chefs d‘oeuvres de Marqueteurs, Paris

1994; I, S. 133 (mit Abb. einer Kommode mit identischer Marketerie), S.

144f. (Abb. einer Kommode aus der Sammlung Gismondi).

CHF 28 000 / 48 000

EUR 25 900 / 44 400

1078*

KLEINE KOMMODE,

Régence, Bern um 1700/20.

Nussbaum und Wurzelmaser gefriest sowie eingelegt mit Reserven und

Filets. Trapezförmiger, geschweifter Korpus auf wellig ausgeschnittener

Zarge mit Stollenbeinen. Mehrfach geschweifte Front mit 3 Schubladen.

Bronzebeschläge und -hänger. Profilierte, grau-rot gesprenkelte Marmorplatte.

98x61x78 cm.

CHF 8 000 / 12 000

EUR 7 400 / 11 100

Möbel & Antiquitäten |

Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen, Sakrale Skulpturen

| 64

1077

(Blatt)