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COURBET, GUSTAVE

(Ornans 1819 - 1877 La-Tour-de-Peilz)

La femme au missel (wohl Bildnis von Zélie

Courbet). Um 1840-1849.

Öl auf Leinwand.

Unten mittig signiert: G. Courbet.

55,5 x 46,5 cm.

Gutachten: Jean-Jacques Fernier, 6.3.2006.

Provenienz:

- Sammlung David Benador, Genf.

- Sammlung Emile Chambon, Genf (verso

Inschrift auf Keilrahmen).

- Nachlassauktion Sammlung Emile Chambon.

- Galerie Hugues Rosset, 2006 (Gemäss Aus-

kunft des Besitzers).

- Schweizer Privatsammlung.

Literatur:

- Benador, Jacques: Courbet peintre et Commu-

nard, in: Plaire, Nr. 2, Paris 1945.

- Hilbi, Georg M. : Transformation, Sublimation

und Individuation im modernen Portrait. Fall-

studien zu Albert Anker, Gustave Courbet und

Hans Emmenegger, Diss. Universität Zürich

2013, S. 46-60, Abb. 13.

Dieses kürzlich wiederentdeckte schöne

Brustbild einer jungen Frau stammt aus der

Sammlung des renommierten Genfer Galeristen

David Benador und ging später in die Samm-

lung des Genfer Kunstmalers Emile Chambon

(1905-1993) über, welcher ein grosser Verehrer

von Courbet und dessen Werken war. Die im

dreiviertel Profil dargestellte Dame in schwarzer

Kleidung hält in ihrer linken Hand ein Gebets-

buch und ihr Blick ist leicht nach oben gerichtet,

sodass eine starke Aura der Frömmigkeit

ausgestrahlt wird. Ihr Gesichtsausdruck wirkt

freundlich und sanft und ihr Inkarnat ist durch

die für Courbet typisch herbe Graublau- und

Rosaschattierung nuanciert.

Courbet war stark mit seiner Familie verbunden

und stellte seine Verwandten oft in Studien und

grösseren Kompositionen dar, so beispielsweise

in dem berühmten Gemälde „Das Begräbnis

von Ornans“ von 1849, in dem er seine drei

Schwestern unter den Trauernden darstellte.

Aufgrund ihrer Gesichtszüge lässt sich auch

unsere Porträtierte als Familienmitglied von

Gustave Courbet identifizieren. Jean-Jacques

Fernier vermutet dabei, dass es sich um eine

der Schwester des Künstlers, wie beispielsweise

die 1824 geborene Zoé Courbet, oder seine

Kusine Clémentine handelt. Dabei datiert er das

Porträt in das Frühwerk des Malers um 1840.

Georg M. Hilbi, der unser Porträt in die späten

1840er Jahre, also um 1848-49 datiert, vermutet

ebenfalls, dass die Dargestellte aus dem engen

Familienkreis Courbets stammt und identifiziert

sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Bildnissen,

die zwischen 1845 und 1850 entstanden sind,

als Zélie Courbet (1828-1875), der zweiten

Schwester des Künstlers. Zélie zeichnete sich

wohl aufgrund ihrer schwächlichen körperlichen

Konstitution durch eine lebenslange Affinität

zur Frömmigkeit aus, was in diesem Bildnis be-

sonders stark zum Ausdruck kommt. Hilbi hebt

zudem hervor, dass unser Porträt als Vorlage

für eine Figur aus dem „Begräbnis von Ornans“

gedient haben könnte, worauf der schwarze

Umhang mit Kapuze als Trauerbekleidung

hindeutet. Courbet porträtierte seine Modelle

oft zuerst in individuellen Einzelbildnissen als

Studien für seine grossformatigen Werke, auch

wenn er nicht alle Studien zu fertigen Figuren

umsetzte. Im Begräbnis von Ornans ist unmittel-

bar hinter der Figur der Zélie ein unvollständiges

Frauengesicht mit schwarzer Kapuze erkennbar,

welche dem hier angebotenen Bildnis sehr nahe

kommt.

CHF 80 000 / 120 000

(€ 74 070 / 111 110)

Gemälde des 19. Jahrhunderts

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