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Cristoforo Cortese. Venedig ca. 1426-30.

Gradualblatt mit Bildinitiale S und dem Apostel

Paulus. Pergament, 510 x 365 mm. Provenienz:

Deutscher Privatbesitz; danach in Schweizer

Privatbesitz.

In einen in zwei Drachenköpfen auslaufenden

Buchstaben S gesetzt, erscheint der Apostel

Paulus, dessen Identität aus seinem Attribut des

Schwertes erschliessbar ist. Der Introitus Scio

cui credidi, et ... leitet denn auch die Messe

zur Memoria Sancti Pauli (29. Juni) ein. Der

Illuminator dieser prachtvollen Initiale lässt hier

bereits eine beachtliche künstlerische Reife

erkennen, die ihn in der ersten Hälfte des 15.

Jahrhunderts zum unbestrittenen Protagonisten

der venezianischen Buchmalerei Venedigs wer-

den liess. Die Rede ist von Cristoforo Cortese,

dessen Werk über seine signierte Miniatur

mit den Exequien eines Franziskaners in der

Wildenstein Sammlung im Musée Marmottan in

Paris identifizierbar ist und dem dieses eindrück-

liche Gradualblatt mit Sicherheit zugewiesen

werden kann.

Die archivalisch erhärteten Daten bezeugen

diesen gelegentlich auch als Tafelmaler tätigen

Künstler während einem halben Jahrhundert

(1390-1445) und 1445 gilt er als verstorben.

Corteses Kunst ist sehr rezeptiv und öffnete sich

verschiedensten Strömungen der italienischen

Buchkunst, die er aber stets mit einem eigenen

Kunstwollen interpretiert. So rezipiert er die im

berühmten Kloster Santa Maria degli Angeli in

Florenz von Don Silvestro dei Gherarducci illu-

minierten Chorbuchbände für die Kamaldulen-

ser in S. Michele in Murano, die ihm Vorlagen

für die Initialkonzepte und Bildideen lieferten,

um sich später über die Auseinandersetzung

mit Niccolò di Pietro, Gentile da Fabriano und

seinen Schwager Zanino di Pietro weiter zu

entwickeln. 1426 lässt er sich gewisse Zeit in

Bologna nieder, wo er weitere künstlerische

Eindrücke in seine Kunst fliessen lässt.

Vorliegendes Fragment könnte im Anschluss

an diese Bologneser Zeit entstanden sein.

Es stammt aus einem aufgebrochenen, das

Proprium und Comune Sanctorum einschlies-

senden Gradual unbekannter Provenienz , dem

weitere Blätter und Blattfragmente zugerechnet

werden können, darunter ein Blatt im Vicoria

and Albert Museum in London (Ms 637B 1894)

sowie die Blattfragmente in der Free Library in

Philadelphia (Lewis 45:31) und ehemals in der

Zeileis Sammlung (cat. 11). Diese Blätter lassen

Reminiszenzen der künstlerischen Strömung

der bolognesischen „Neogiottisten“ Giovanni

da Modena und Jacopo di Paolo erkennen, auf

deren Substrat Cortese in seinen späteren Jahren

Figuren mit markigen Gesichtern formte. Vorlie-

gendes Blatt gleich wie die anderen erwähnten

ist kennzeichnend für Corteses Übergangsstil

zum Spätwerk und darf gegen 1426-30 angesetzt

werden.

Bibliographie: unveröffentlicht

CHF 5 000 / 8 000

EUR 4 630 / 7 410

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