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Französischer Buchmaler um 1480-90. Paris, ca.

1480-90. Blatt aus einem Stundenbuch mit der

Verkündigung. Pergament, 175 x 115 mm.

Die von einer reichen Vollbordüre umfasste Bild-

miniatur verbildlicht in eleganter Form die Ver-

kündigung an Maria. Der Bordürenschmuck aus

sich leicht windenden Ranken ist von Rhomben

durchsetzt, auf deren Goldgrundbunte Blüten

und Früchte zu erkennen sind. Im Zentrum der

unteren Bordüre stolziert ein Mischwesen mit

Narrenkopf und Drachenkörper, wohingegen

rechts eine Wespe surrt. Die Szene ist in einen

mystisch dunkeln Raum gesetzt, der durch das

göttliche Kolloquium zwischen Maria und der

golden schillernden Lichtgestalt Gabriels sich

aufzuhellen scheint.

Das schöne Blatt gehörte einst wohl einem

glanzvollen Stundenbuch an, das für eine reiche

französische Adelsfamilie geschaffen wurde.

Stil und Bordürenschmuck (die von Rhomben

besetzte Bordüre) weisen für den unbekannten

Buchmaler auf das künstlerische Ambiente

im Umkreis des Jacques de Besançon und des

Meisters der Chronique Scandaleuse hin, was

zugleich auf eine ungefähre Entstehungszeit um

1480-90 schliessen lässt.

Bibliographie: unveröffentlicht

CHF 800 / 1 200

EUR 740 / 1 110

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Giovanni d’Antonio da Bologna. Bologna, ca.

1440. Blatt aus einem franziskanischen Graduale

mit der Initiale A und dem sich Gott hinwen-

denden David. Pergament, 565 x 410 mm.

Provenienz: seit 1994 in Londoner Privatbesitz.

Das 1994 im Londoner Kunsthandel wieder

aufgetauchte Blatt eröffnete den ersten Band

eines Graduale (Proprium de Tempore), das

die liturgischen Gesänge vom ersten Advents-

sonntag bis mindestens zur Epiphanie umfasste.

Zwei weitere Blattfragmente gleichen Stils und

vermutlich aus dem gleichen Verband, welche

die Feste an Weihnachten und der Epiphanie

betreffen, haben sich in der Sammlung der

Fondazione Giorgio Cini in Venedig (Ms 2117,

2118) erhalten (G. Mariani Canova, 1978, S. 29-

30).Das die Weihnachtsliturgie betreffende Blatt

in Venedig zeigt im unteren Bereich der Initiale

eine Gruppe betender Franziskaner, was für die

drei Blätter auf eine franziskanische Provenienz

schliessen lässt. Vorliegende mit der Seitenzahl

1 versehene Seite bildete folglich das Frontispiz

des aufgebrochenen franziskanischen Graduals.

Überzeugend konnte für unsere Blätter die

Autorschaft des bolognesischen Buchmalers

Giovanni d‘ Antonio geltend gemacht werden

(Bel 1996, S. 28; A. De Floriani, 1996, S. 150-

157). Seine künstlerische Identität konnte über

das signierte und datierte (1432) Manuskript von

Andrea da Budrio’s Commentarium super lib. II

Decretalium pars II in der Biblioteca Nazionale

in Neapel (MS. XIV.A. 21 erschlossen werden.

(M. Medica 1987). Eine Serie stilverwandter

Blätter eines franziskanischen Psalters lassen

vermuten, dass dieser aufgebrochene liturgi-

sche Band aus dem gleichen Franziskanerhaus

stammt wie die hier angesprochenen franziskani-

schen Graduale Blätter. Giovanni d‘Antonio da

Bologna, dessen kultivierter Stil sich nicht allein

an der lokalen Buchkunst der Nachfolge des

Nicolò di Giacomo, sondern auch besonders an

den spätgotischen Tendenzen der emilianischen

Monumentalmalerei etwa des Meisters von

Vignola oder Giovanni da Modena orientiert,

gehörte im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts

zweifellos zu den führenden Buchmalern

Bolognas. Es überrascht kaum, dass er zu seiner

Zeit zu den gefragtesten Buchmalern der Este

Stadt Ferrara gehörte, wo er für die dortigen

Olivetaner Brüder einen prachtvoll illuminierten

zweibändigen Psalter schuf (Ferrara, Museo

Schifanoia, cod. I and O).

Bibliographie: S. Hindman, M Bollati, Illumina-

tions, Katalog BEL, London 1996, S. 28; Anna

De Floriani, in: La Spezia, Museo Civico Ame-

deo Lia. Miniature, Milano 1996, S. 150-157.

Zitierte Literatur: Giordana Mariani Canova,

Miniature dell’ Italia Settentrionale nella Fonda-

zione Giorgio Cini, Vicenza 1978, S. 29-30;

Massimo Medica, Per una storia della miniature

a Bologna tra Tre e Quattrocento. Appunti e

considerazioni, in:Il Tramonto del Medioevo a

Bologna. Il cantiere di San Petronio, exh. cat.

1987 (ed. R. D‘Amico, R Grandi), Bologna 1987,

S. 186-188.

CHF 12 000 / 15 000

EUR 11 110 / 13 890

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