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398Neri da Rimini. Rimini, ca. 1314. Antiphonar-
blatt mit der Bildinitiale T mit dem Apostel
Petrus. Pergament, 450 x 375 mm. Provenienz: :
Rimini, San Francesco, Französischer Privatbe-
sitz: London, Privatbesitz; danach Schweizer
Privatbesitz.
Die schlichte, aber äusserst sorgfältig illumi-
nierte Initiale dieses frisch erhaltenen, unten
etwas beschnittenen Antiphonarblattes mit
der Vesperantiphon für das Fest von Peter und
Paul (29. Juni, Tu es pastor omnium princeps...)
ist ein charakteristisches Werk des aus Rimini
stammenden Neri da Rimini und zeigt den
Buchmaler auf dem Zenit seines Könnens.
Gegenüber Neris frühem Stil erscheint hier die
plastisch wohl artikulierte Figur in ihrer Haltung
gelöster, gleich wie das Antlitz des Heiligen
sorgfältiger und naturalistischer ausgeformt ist
und eine höhere seelische Präsenz erkennen
lässt . Zweifellos sind das die Früchte einer ein-
gehenderen Auseinandersetzung mit der Kunst
Giottos, insbesondere mit der Monumentalma-
lerei seiner riminesischen Nachfolger, etwa des
Giovanni da Rimini und Pietro da Rimini, mit
dem der Illuminator am Ende seiner Karriere gar
zusammenwirkte.
Die Beschneidungen des Blattes eingerechnet
(linker Rand, ca. 10 mm, oberer Rand ca. 10
mm sowie unterer Rand ca. 80 mm), kann
dieses auf eine Grösse von ungefähr 540 x 380
mm aufgerechnet werden. Dieses Mass und
entspricht so der Seitengrösse des aus San
Francesco in Rimini stammenden Kodex Amati,
eines Antiphonars „de tempore und de sanctis“ ,
das die Liturgie vom 12. Sonntag nach Pfingsten
bis vierten Sonntag im September und die Hei-
ligenfeste von Peter und Paul 29. Juni- zu den
sieben Schmerzen der Jungfrau (15. September)
einschliesst. Seitenaufbau und Schrift entspre-
chen jenem der vier bisher wieder gefundenen
resp. rekonstruierten Bände der einst sechsbän-
digen Chorbuchserie aus San Francesco in Rimi-
ni, die vom Schreiber Bonfantinus signiert und
datiert wurden (G. Dauner, 1998 S. 97-144 bes.
138-144; 236-237; F. Lollini, 1995, S. 164-171).
Die noch auf dem Blatt zu lesende Seitenzahl
76 resp. 77 entspricht genauestens einer der
drei bereits 1982 anlässlich seines Verkaufs bei
Sotheby’s in London fehlenden Seiten (77, 142,
158) des Kodex Amati (Turin, Privatbesitz).
Die hier in Rede stehende Liturgie Antiphon
zur Vigilie der „Memoria Sancti Pauli“ fügt sich
innerhalb des Kodex als Weiterführung der
Gesänge für Peter und Paul genauestens ein und
passt zur fehlenden Seite. Damit steht mit guter
Sicherheit fest, dass unser Blatt aus dem vom
Schreiber Bonfantinus signierten und datierten
(1314) Kodex Amati stammt. Vermutlich wurde
auch das Blatt mit der thronenden Muttergottes
in der Free Libaray in Phildelphia (Lewis 73:06)
aus diesem Chorbuch geschnitten und war ent-
weder fol 142 oder 158. Ein Blatt aus ebendieser
Chorbuchserie aus der franziskanischen Kirche
in Rimini - allerdings aus einem anderen Band -
wurde jüngst am 18. September 2015 in diesem
Haus als Lot 135 verkauft (G. Freuler, 2015, S.
72). Damit ergänzt sich diese berühmte Chor-
buchserie aus dem von den Malatesta protegier-
ten Franziskanerhaus um ein weiteres Element.
Bibliographie: unveröffentlicht
Zitierte Literatur: Gudrun Dauner, Neri da
Rimini und die Rimineser Miniaturmalerei des
frühen Trecento, München 1998, S. 97-144, bes.
138-144; 236-237; S. 97-144, bes. 135; F. Lollini,
Neri da Rimini, Il Trecento riminese tra pittura
e scrittura, Ausstellungkatalog 1995 Rimini,
Museo della Città, Mailand 1995, S.164-171,
Gaudenz Freuler, Italienische Buchmalerei aus
einer bedeutenden Privatsammlung, Zürich,
Galerie Koller, 18. September 2015, S. 72.
CHF 6 000 / 9 000
EUR 5 560 / 8 330
399*Norditalienisch, frühes 14. Jahrhundert. Psalter-
blatt mit David in einer Bildinitiale D. Perga-
ment, 460 x 330 mm.
Das schlichte Blatt aus dem frühen 14- Jahrhun-
dert stammt aus einem unbekannten norditalie-
nischen Psalter. Die auf einen blauen Grund ge-
setzte, Knoten und Knospen ausbildende Initiale
D leitet den 27. Psalm „Dominus illuminatio mea
et salus mea quem ... „ ein. Dieser war Teil der
Messe des vierten Sonntags nach Pfingsten.
Der Illustrator dieses aufgebrochenen Psalters
scheint sich aus der spätduecentesken Buchma-
lerei einer sich von der Emilia Romagna bis
ins Friaul erstreckenden Region entwickelt zu
haben. Verschiedene hier erkennbare Stilabs-
traktionen gleich wie die schlichte Farbpalette
aus Blau, Orangerot, Grau, Ocker und Grün
weisen ins Milieu des sogenannten Meisters
der Chorbücher von Bagnacavallo. Doch im
Unterschied zur Künstlergeneration dieses
Buchmalers, die noch dem sogenannten „primo
stile bolognese“ verpflichtet war, zeigt der Illus-
trator vorliegenden Psalterblattes eine, was die
plastische Artikulierung der mächtigen Figur
des mit Gott sprechenden Davids angeht, weiter
entwickelte Kunstauffassung, die bereits die
Kenntnis der um 1300 in die Emilia getragenen
Kunst Giottos voraussetzt. Das Blatt dürfte
vermutlich von einem, in den ersten Jahren des
14. Jahrhunderts in der Emilia tätigen anonymen
Buchmaler gemalt worden sein, der sich in der
späten Nachfolge des Meisters von Bagnacavallo
entwickelt hatte.
Bibliographie: unveröffentlicht
CHF 6 000 / 9 000
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