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Neri da Rimini. Rimini, ca. 1314. Antiphonar-

blatt mit der Bildinitiale T mit dem Apostel

Petrus. Pergament, 450 x 375 mm. Provenienz: :

Rimini, San Francesco, Französischer Privatbe-

sitz: London, Privatbesitz; danach Schweizer

Privatbesitz.

Die schlichte, aber äusserst sorgfältig illumi-

nierte Initiale dieses frisch erhaltenen, unten

etwas beschnittenen Antiphonarblattes mit

der Vesperantiphon für das Fest von Peter und

Paul (29. Juni, Tu es pastor omnium princeps...)

ist ein charakteristisches Werk des aus Rimini

stammenden Neri da Rimini und zeigt den

Buchmaler auf dem Zenit seines Könnens.

Gegenüber Neris frühem Stil erscheint hier die

plastisch wohl artikulierte Figur in ihrer Haltung

gelöster, gleich wie das Antlitz des Heiligen

sorgfältiger und naturalistischer ausgeformt ist

und eine höhere seelische Präsenz erkennen

lässt . Zweifellos sind das die Früchte einer ein-

gehenderen Auseinandersetzung mit der Kunst

Giottos, insbesondere mit der Monumentalma-

lerei seiner riminesischen Nachfolger, etwa des

Giovanni da Rimini und Pietro da Rimini, mit

dem der Illuminator am Ende seiner Karriere gar

zusammenwirkte.

Die Beschneidungen des Blattes eingerechnet

(linker Rand, ca. 10 mm, oberer Rand ca. 10

mm sowie unterer Rand ca. 80 mm), kann

dieses auf eine Grösse von ungefähr 540 x 380

mm aufgerechnet werden. Dieses Mass und

entspricht so der Seitengrösse des aus San

Francesco in Rimini stammenden Kodex Amati,

eines Antiphonars „de tempore und de sanctis“ ,

das die Liturgie vom 12. Sonntag nach Pfingsten

bis vierten Sonntag im September und die Hei-

ligenfeste von Peter und Paul 29. Juni- zu den

sieben Schmerzen der Jungfrau (15. September)

einschliesst. Seitenaufbau und Schrift entspre-

chen jenem der vier bisher wieder gefundenen

resp. rekonstruierten Bände der einst sechsbän-

digen Chorbuchserie aus San Francesco in Rimi-

ni, die vom Schreiber Bonfantinus signiert und

datiert wurden (G. Dauner, 1998 S. 97-144 bes.

138-144; 236-237; F. Lollini, 1995, S. 164-171).

Die noch auf dem Blatt zu lesende Seitenzahl

76 resp. 77 entspricht genauestens einer der

drei bereits 1982 anlässlich seines Verkaufs bei

Sotheby’s in London fehlenden Seiten (77, 142,

158) des Kodex Amati (Turin, Privatbesitz).

Die hier in Rede stehende Liturgie Antiphon

zur Vigilie der „Memoria Sancti Pauli“ fügt sich

innerhalb des Kodex als Weiterführung der

Gesänge für Peter und Paul genauestens ein und

passt zur fehlenden Seite. Damit steht mit guter

Sicherheit fest, dass unser Blatt aus dem vom

Schreiber Bonfantinus signierten und datierten

(1314) Kodex Amati stammt. Vermutlich wurde

auch das Blatt mit der thronenden Muttergottes

in der Free Libaray in Phildelphia (Lewis 73:06)

aus diesem Chorbuch geschnitten und war ent-

weder fol 142 oder 158. Ein Blatt aus ebendieser

Chorbuchserie aus der franziskanischen Kirche

in Rimini - allerdings aus einem anderen Band -

wurde jüngst am 18. September 2015 in diesem

Haus als Lot 135 verkauft (G. Freuler, 2015, S.

72). Damit ergänzt sich diese berühmte Chor-

buchserie aus dem von den Malatesta protegier-

ten Franziskanerhaus um ein weiteres Element.

Bibliographie: unveröffentlicht

Zitierte Literatur: Gudrun Dauner, Neri da

Rimini und die Rimineser Miniaturmalerei des

frühen Trecento, München 1998, S. 97-144, bes.

138-144; 236-237; S. 97-144, bes. 135; F. Lollini,

Neri da Rimini, Il Trecento riminese tra pittura

e scrittura, Ausstellungkatalog 1995 Rimini,

Museo della Città, Mailand 1995, S.164-171,

Gaudenz Freuler, Italienische Buchmalerei aus

einer bedeutenden Privatsammlung, Zürich,

Galerie Koller, 18. September 2015, S. 72.

CHF 6 000 / 9 000

EUR 5 560 / 8 330

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Norditalienisch, frühes 14. Jahrhundert. Psalter-

blatt mit David in einer Bildinitiale D. Perga-

ment, 460 x 330 mm.

Das schlichte Blatt aus dem frühen 14- Jahrhun-

dert stammt aus einem unbekannten norditalie-

nischen Psalter. Die auf einen blauen Grund ge-

setzte, Knoten und Knospen ausbildende Initiale

D leitet den 27. Psalm „Dominus illuminatio mea

et salus mea quem ... „ ein. Dieser war Teil der

Messe des vierten Sonntags nach Pfingsten.

Der Illustrator dieses aufgebrochenen Psalters

scheint sich aus der spätduecentesken Buchma-

lerei einer sich von der Emilia Romagna bis

ins Friaul erstreckenden Region entwickelt zu

haben. Verschiedene hier erkennbare Stilabs-

traktionen gleich wie die schlichte Farbpalette

aus Blau, Orangerot, Grau, Ocker und Grün

weisen ins Milieu des sogenannten Meisters

der Chorbücher von Bagnacavallo. Doch im

Unterschied zur Künstlergeneration dieses

Buchmalers, die noch dem sogenannten „primo

stile bolognese“ verpflichtet war, zeigt der Illus-

trator vorliegenden Psalterblattes eine, was die

plastische Artikulierung der mächtigen Figur

des mit Gott sprechenden Davids angeht, weiter

entwickelte Kunstauffassung, die bereits die

Kenntnis der um 1300 in die Emilia getragenen

Kunst Giottos voraussetzt. Das Blatt dürfte

vermutlich von einem, in den ersten Jahren des

14. Jahrhunderts in der Emilia tätigen anonymen

Buchmaler gemalt worden sein, der sich in der

späten Nachfolge des Meisters von Bagnacavallo

entwickelt hatte.

Bibliographie: unveröffentlicht

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