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FRANCK, PAUWELS genannt PAOLO

FIAMMINGO

(Antwerpen um 1540 - 1596 Venedig)

Götterversammlung: Die Liebe der Götter.

Um 1585.

Öl auf Leinwand. 119,6 x 166,7 cm.

Gutachten: Dr. Andrew John Martin, 5.12.2001.

Provenienz:

Schweizer Privatbesitz seit circa 1980.

Literatur:

Martin, Andrew John: Erdzeitalter, nicht der

„Frühling“. Hans Fugger und die Zyklen Paolo

Fiammingos, in: Burkhardt, Johannes / Karg,

Franz (Hg.): Die Welt des Hans Fugger (1531-

1598), Material zur Geschichte der Fugger,

Augsburg 2007, Bd. 1, S. 203, Abb. 8.

Weiterführende Literatur: Siehe Onlinekatalog.

Das hier angebotene Gemälde von musealer

Qualität aus einer Privatsammlung bringt in

eindrücklicher Weise die künstlerische Fähigkeit

Paolo Fiammingos zum Ausdruck. Während das

Gemälde längere Zeit als ein Werk Tizians ver-

standen wurde, bestätigt Dr. Andrew J. Martin

eindeutig, dass es sich hierbei um ein charakte-

ristisches Werk Paolo Fiammingos handelt.

Dargestellt ist eine Götterversammlung mit Jupi-

ter, Vulkan, Neptun, Amor und Venus vor einer

weiten Flusslandschaft als Verbildlichung der

Liebschaften der Götter. Am linken Bildrand

findet sich ein unbekleidetes Liebespaar sowie

fünf weitere, die proportional kleiner in der

Landschaft platziert sind. Letztere fünf Figuren-

gruppen kamen kürzlich nach einer sorgfältigen

Reinigung des Gemäldes wieder zum Vorschein,

nachdem diese durch einen vorherigen Besitzer

aus abweichenden sittlichen Vorstellungen

übermalt worden waren. Auch die unbekleidete

Venus rechts am Bildrand hatte nachträglich ein

kaschierendes Tuch um ihre Hüften erhalten.

Beeindruckend ist die Gestalt des Neptuns im

Vordergrund, die dem Betrachter seinen musku-

lösen Rücken zuwendet und als Repoussoir-Mo-

tiv dessen Blick ins Bildgeschehen leitet. Neben

der imposanten Monumentalität der Figuren im

Vordergrund zeichnet sich die Landschaft im

Hintergrund durch eine grosse Virtuosität und

Vielfalt aus. Das Blattwerk der Bäume ist durch

einen schnellen Pinselstrich definiert und ver-

leiht der Darstellung eine zusätzliche Dynamik.

Andrew J. Martin hebt in seinem Gutachten

hervor, dass die Komposition eng verwandt ist

mit Paolo Fiammingos Gemälde „Der Tastsinn“

(Öl auf Leinwand, 160 x 270 cm), aus einem

Fünf-Sinne-Zyklus von 1582/83, der im Auftrag

Hans Fuggers für dessen Schloss Kirchheim

an der Mindel bei Augsburg entstand, wo er

sich heute noch befindet. Die grösste Abwei-

chung stellt die Venus-Amor-Gruppe rechts am

Bildrand dar, die in unserem Gemälde statt einer

monumentalen Venus eine grazile Figur zeigt.

Diese greift der Künstler auch in dem Gemälde

„Das Goldene Zeitalter“ (Öl auf Leinwand, 160

x 270 cm, ebenfalls heute im Schloss Kirchheim)

auf mit Blumenkranz im Haar als Personifizie-

rung des Frühlings. Die Figur des Amors findet

sich in zahlreichen Darstellungen von Kindern

und Putti in Werken Fiammingos, so auch in

dem Gemälde „Das Goldene Zeitalter“. Neben

der stilistisch charakteristischen Malweise, wie

die Darstellung der Physiognomien, die nackten

Körper und die Landschaft, sieht Andrew J.

Martin in der hohen Qualität des Werkes einen

entscheidenden Indiz, dass es sich hierbei um

eine Variante der gleichzeitig in Arbeit befind-

lichen oder bereits an Hans Fugger gelieferten

Komposition „Der Tastsinn“ darstellt.

Der dem schwäbischen Kaufmannsgeschlecht

entsprungene Augsburger Reichsbankier Hans

Fugger (1531 - 1598) war sicherlich einer der

grössten Auftraggeber von Werken Paolo

Fiammingos, die er zu jener Zeit über seinen

Gesandten Hieronymus Ott in Venedig für seine

Schlösser in Kirchheim und Stettenfels erwarb.

Andrew J. Martin vermutet allerdings in dem

Auftraggeber unseres Gemäldes eher einen

Venezianer oder einen in Venedig tätigen Kauf-

mann, dem die kräftig gebaute Venus des Fug-

ger-Gemäldes nicht zusagte und der stattdessen

eine grazilere Figur mit Amor wünschte.

CHF 80 000 / 120 000

EUR 74 100 / 111 100

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Gemälde Alter Meister

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