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3007*

VENEZIANO, DONATO

(vor 1438 Venedig um 1460)

Jüngstes Gericht. Um 1450-60.

Tempera auf Holz.

17,3 x 18,6 cm.

Provenienz:

Europäische Privatsammlung.

Ausstellung:

„Engel sind überall“, 27.10.1999-28.1.2000,

Galerie Le Point, Zürich, Nr. 49.

Literatur:

- Freuler, Gaudenz: Engel sind überall, Ausst.

Kat. Galerie Le Point, Zürich 1999/2000, Kat.

Nr. 49, S. 125.

- De Marchi, Andrea: Il Vero Donato Venezi-

ano, in: Arte in Friuli, Arte a Trieste, 21/22,

2003, S. 63-72.

- Guarnieri, Cristina: Per un corpus della pittura

veneziana del Trecento al tempo di Lorenzo

Veneziano, in: Saggi e memorie di storia dell’

arte, 30, 2006, S. 29-30.

- Casu, Stefano G.: The Pittas Collection, Early

Italian Paintings (1200-1530), Florenz 2011, S.

50-53.

Vorliegende äusserst raffiniert gemalte Tafel –

Element eines Altarwerks – zeigt in direkter

Bildsprache die Vision des Jüngsten Gerichts,

Christus erscheint auf den Posaunenstoss zweier

Engel in einer Mandorla als Weltenrichter. Zu

seinen Füssen ergiesst sich ein Feuerfluss in

dem wir graphisch angedeutet die Schemen der

Schattenfiguren der Verdammten untergehen

sehen. Ihnen gegenüber erblicken die einem

Sarkophag entsteigenden hell gekleideten

Seligen, die ewige Herrlichkeit des Erlösers.

Entsprechend klären die Spruchrollen der po-

saunenblasenden Engel. Auf der das Geschehen

der Seligen betreffenden lesen wir Venite Bene-

dicti (Kommt Seliggepriesene!) auf der anderen,

an die im Feuerfluss gerichteten Verdammten Ite

Maledicti (Geht von mir, Verdammte !).

Anlässlich seiner Erstveröffentlichung als

Exponat einer Ausstellung in Zürich wurde

die hier angesprochene Tafel einem anonymen

venezianischen Künstler in der Nachfolge Paolo

Venezianos zugewiesen und stilistisch mit dem

Bild mit Christus unter den Schriftgelehrten in

der Eremitage in Sankt Peterburg in Zusam-

menhang gebracht (siehe Freuler 1999/2000).

Für beide Tafeln konnte wenige Jahre später von

Andrea De Marchi überzeugend auch die Au-

torschaft jenes Malers geltend gemacht werden,

der zusammen mit dem wohl jüngeren Partner

Catarino die Marienkrönung in der Pinacoteca

Querini Stampalia gemalt und signiert hatte:

MCCCLXXII MESE AGUSTI DONATUS

ET CATARINUS PICXIT. (Andrea de Marchi

2003).

Ausgehend von der Feststellung, dass die von

Catarino unter eigener Regie gemalten und sig-

nierten Tafeln und die anderen ihm zugeordne-

ten Werke, etwa die signierte und 1375 datierte

Marienkrönung in der Accademia in Venedig,

bei weiten nicht die Feinheiten erkennen lassen

wie sie in der zusammen mit Donato signier-

ten Marienkrönung in der Pinacoteca Queini

Stampalia zutage treten, postulierte De Marchi

überzeugend, dass die zusammen mit Catarino

signierte Tafel von 1372 in Wirklichkeit von

Donato Veneziano gemalt sei, wohingegen der

wohl jüngere Catarino die (heute verlorenen)

seitlichen Elemente gemalt haben könnte. Über-

zeugend gruppierte De Marchi weitere stilistisch

als Einheit zu betrachtende Arbeiten um das

von Donato signierte Werk, darunter auch die

beiden Tafeln mit dem Jüngsten Gericht und

mit Christus unter den Schriftgelehrten in Sankt

Petersburg. Dieser überzeugende Werkkatalog

wurde in der Folge auch von Cristina Guarnieri

(2006) weitestgehend übernommen.

Wie sich auch bei der hier in Rede stehenden

faszinierenden Täfelchen erkennen lässt, weist

sich unser Maler, der zu den besten Kräften der

venezianischen Malerei um 1350-1380 gehört

haben muss, durch ein waches Interesse an der

Kunst Paolo Venezianos, des Übervaters der

venezianischen Trecentomalerei, und auch an

den bereits der gotischen Tendenzen des neuen

Stars im venezianischen Panorama, Lorenzo

Veneziano, aus.

Aus Paolo Veneziano geschöpft sind die klaren

Anleihen an die byzantinischen Konventionen,

die er aber in eine bereits fortgeschrittene goti-

sche Formensprache übersetzt. Seine Figuren

zeichnen sich durch eine gelöste Agilität und

eine wachen Ausdruck aus. Die Chrysogram-

me sind nicht bloss noch eine byzantinische

Konvention zur Darstellung des glanzvoll

Göttlichen, sondern geschickt in den Dienst

der körperlichen Artikulierung gesetzt und

unterstreichen so zugleich die Figuren in ihrer

plastischen Präsenz, was hier am Weltenrichter

leicht zu erkennen ist, wo sie den Faltenfluss der

Draperien und letztlich der Körper definieren.

Unser Christus ist ein naher Verwandter der

unlängst überzeugend Donato Veneziano zuge-

schriebenen energischen Halbfigur des Heiligen

Donatus in der Pittas Collection (Stefano G.

Casu, 2011). Aufgrund ihrer unverkennbaren

Nähe zu Paolo Venezianos Werk, könnte unsere

Tafel mit dem Jüngsten Gericht, vermutlich

noch vor der datierten, zusammen mit Catarino

signierten Marienkrönung von 1372, vermutlich

in der Zeit zwischen 1365-70, entstanden sein.

Wir danken Prof. Dr. Gaudenz Freuler, Zürich,

für die Unterstützung bei der Katalogisierung

dieses Gemäldes.

CHF 110 000 / 150 000

(€ 101 900 / 138 900)

3007 Infrarotaufnahme

3007 verso

Gemälde Alter Meister

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