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PostWar & Contemporary

3480*

ANSELM KIEFER

(Donaueschingen 1945 - lebt und arbeitet

u.a. in Paris)

Nigredo-Albedo-Rubedo. 2006.

Öl, Emulsion, Blei, Holz, Terrakottaerde,

Stoff und Draht sowie 5 getrocknete

Sonnenblumen. Gebunden als Buch mit 9

Seiten, jede Seite mit Karton und Hartfa-

serplatte.

Je 196 x 140 cm. Sonnenblumen maximal

430 cm.

Provenienz:

- 2007/2008 vom heutigen Besitzer bei

Galerie Thaddaeus Ropac, Paris, erwor-

ben.

- Seitdem Privatbesitz.

Anselm Kiefer wird zwei Monate vor

Kriegsende in Donaueschingen ge-

boren. Seine Kindheit im zerbombten

Nachkriegsdeutschland wird seine Kunst

massgeblich beeinflussen. Schon als Kind

wird sein künstlerisches Interesse und

Talent sichtbar. Nach demAbbruch eines

Studiums für Rechtswissenschaften und

Romanistik, schreibt er sich für ein Kunst-

studium in Karlsruhe bei Horst Antes ein.

Mit demWechsel nach Düsseldorf wird

Joseph Beuys sein Mentor. Mit ihm teilt er

seine Faszination und Vorliebe für unge-

wohnte Materialien wie Blei, Asche, Erde,

Sand, Blumen und Stroh. Seine Werke sind

geprägt von der Geschichte, und er wird

oft als moderner Historienmaler beschrie-

ben. Die deutsche Geschichte, die Ruinen

und Landschaften sowie später auch

Mythologie und Kabbala, sind nur einige

der Themen, die sein Gesamtwerk prägen;

doch seine Auseinandersetzung mit der

deutschen Geschichte ist das Thema, das

sein Oeuvre einzigartig macht. Er hält den

Menschen in seinen Werken den Spiegel

vor und lässt uns alte Geschichtswunden

betrachten und drängt zur Aufarbeitung.

In seinen frühen Werken stellt Kiefer sich

die Frage, ob es nach demHolocaust und

der Beschlagnahmung der Kultur und

Kunst durch die Nationalsozialisten noch

möglich ist „deutscher Künstler“ zu sein.

Seine Werke setzen sich daher unerschro-

cken mit der Geschichte auseinander,

versuchen diese auszugraben, ins Be-

wusstsein zu rufen und zu überwinden. In

riesigen Formaten mit vielen verschiede-

nen Materialien und Techniken verarbeitet

Kiefer diese Themen. Durch expressiven,

starken Farbauftrag, verschiedene Mal-

schichten, Emulsionen, Brenner, collagier-

te Applikationen, Fotos, Inschriften und

Bilder werden diese Arbeiten zu viel-

schichtigen Akten, in denen der Prozess

und die Technik des Malens zumThema

werden und die übergeordnete Intention

der Arbeit unterstützen und verdeutlichen.

Seine Karriere beginnt 1969 mit einem

Skandal: In der Serie „Besetzungen“ übt er

in verschiedenen deutschen Städten den

Hitlergruss aus. Die öffentliche Empö-

rung ist gross, doch ist es für ihn ein Weg

gewesen, sich mit demGeschehenen

auseinanderzusetzen, Kritik zu üben und

sich mit der eigenen Geschichte und dem

„Deutsch sein“ zu identifizieren. 1973

folgt eine Ausstellung mit einer Werkreihe

mit biblischen und deutschen mythologi-

schen Themen. Den Werken sind, wie für

sein Schaffen üblich, Namen, Zitate und

Bezeichnungen eingeschrieben. Es folgen

auch monumentale Landschaften wie

“Märkische Heide”, ein Motiv, das er öfter

als Symbol des Preussentums aufgreift.

Kiefer wird oft als Landschaftsmaler be-

zeichnet - auch wenn er sich selbst nicht

als solcher sieht -, denn Landschaften

sind ein Leitmotiv seines Oeuvres. Das

Land wird von menschlichen Ereignissen

und ihrer Geschichte geprägt und auf

ewig dadurch markiert. Diese Wunden,

Spuren und Zeichen sind die Faszination,

aber auch Tiefgründigkeit seines Schaf-

fens. Seine erste Installation “Die Frauen

der Revolution” findet um 1984 statt. 13

Bleibetten sind mit zerknitterten Bleilaken

überzogen und in ihrer Mitte befindet sich

eine wassergefüllte Delle. Jedes Bett trägt

ein Papierschild mit 22 Namen von Frauen,

die während der Französischen Revolution

eine wichtige Rolle gespielt haben. Es ent-

stehen weitere grosse Arbeiten aus Blei,

wie seine berühmten Flugzeuge, Raketen

und Bücher.