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PostWar & Contemporary
3431* GEORG BASELITZ(Grossbaselitz 1938 - lebt und arbeitet u.a.
in München)
Ohne Titel (Baum). 1978.
Gouache und Bleistift auf Papier.
Unten rechts monogrammiert und datiert:
GB (eventuell von fremder Hand bzw.
später hinzugefügt) 18.II.78, sowie verso
mit der Archivnummer: GBZ 354.
60,7 x 43 cm.
Das Werk ist imArchiv Prof. Georg Base-
litz, München, unter der Nummer: GBZ
354 registriert. Wir danken demArchiv für
die wissenschaftliche Unterstützung.
Provenienz:
- Wohl 1980 Galerie Neuendorf.
- Galerie Baronian, Brüssel.
- Dort 1989 vom heutigen Besitzer erwor-
ben, seitdem Privatsammlung Deutsch-
land.
Im Jahr 1969 begibt sich Georg Baselitz
auf die Suche nach einer neuen Darstel-
lungsform, um den klassischen Konventio-
nen der Malerei zu entkommen. Während
bisher die Figurenmalerei sein Oeuvre
beherrscht hat, und er revolutionäre Seri-
en wie den sogenannten „Helden-Zyklus“
geschaffen hat, hinterfragt er nun diese
Motive und Gestaltungsformen. Er will sein
Augenmerk weg vomMotiv hin zur Malerei
richten, und so stellt er imwahrsten Sinne
des Wortes seine Kunst auf den Kopf.
„Ein Gegenstand auf dem Kopf gemalt
ist tauglich für die Malerei, weil es so als
Gegenstand untauglich bzw. wertfrei ist.
Ausserdem hat diese Methode eine Irrita-
tion, einen Schock; sie zeigt eine aggres-
sive Haltung, die ich als Demonstration für
den Ernst meines Vorgehens gut finde.“
(zit. Georg Baselitz, in: Ausst. Kat. Georg
Baselitz. Gemälde und Arbeiten auf Papier
von 1971-2004, Galerie Henze-Ketterer,
Wittrach Bern, S. 8)
„Der Wald steht auf dem Kopf“, heute
imMuseum Ludwig Köln, ist das erste
wichtige Gemälde dieser neuen Darstel-
lungsweise. Durch die Umkehrung des
Motivs um 180° nimmt er ihm zum einen
seinen Status als Gegenstand, zum an-
deren fordert er die Seh- und Denkweise
des Betrachters heraus. Obwohl Technik
und Motiv tief in der klassischen Kunstge-
schichte verwurzelt sind, schafft er durch
die Drehung doch die Loslösung von den
malerischen Konventionen.
Auch das vorliegende Aquarell ist in
diesemZusammenhang zu sehen. Auf
den ersten Blick verweigert Baselitz dem
Betrachter den Zugang zumWerk - auf
den Kopf gestellt, scheint der Baum zu-
nächst eher eine abstrakte Form zu sein.
Auch die Farbgebung in Blau und Schwarz
gibt uns zunächst keinen Hinweis auf das
Dargestellte. Erst bei längerer Betrachtung
erschliesst sich der auf dem Kopf stehen-
de, kahle Baum.
In beeindruckender Weise kombiniert
Baselitz auf der einen Seite die klassi-
sche Malerei mit einem traditionellen, in
Deutschland sehr symbolträchtigen Sujet
mit einer der radikalsten neuen Gestal-
tungsmethoden in der Kunst des 20.
Jahrhunderts.
CHF 18 000 / 26 000
(€ 16 670 / 24 070)