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1710

SELTENES BOURDALOU,

Meissen, um 1745-1750.

Bemalung von Christian Friedrich Herold.

Die ovale, nierenförmig eingezogene Form, mit einem Schlaufenhenkel,

bekrönt von einem Frauenköpfchen und palmettförmigen Daumenstück.

Umlaufend bemalt mit einer Kauffahreiszene von Christian Friedrich

Herold. Darin eine bebaute Uferlandschaft mit Kaufleuten beim Beladen

und Entladen von Schiffen und europäischen und orientalischen Händlern

mit Kamelen und ihren Waren und zwei grössere Vordergrundfiguren im

Zentrum der Szene. Auf der Innenseite eine einzelne Manierblüte. Gol-

drand. Ohne Marke. Pressnummer 28. L 23 cm. Goldrand berieben.

Das 'Dictionnaire de l'ameublement et de la décoration' von Henry Havard

berichtet von folgender Legende: ''Die Predigten Père Bourdaloues waren

so berühmt und so geschätzt, dass man oft stundenlang vorher die Kir-

chenbank belegte. Und da die Predigten dann selbst noch lange dauerten,

so stellte sich naturgemäss bei vielen Damen ein drängendes Bedürfnis ein.

Doch um den Kirchenplatz nicht zu verlieren, bediente sich die Gnädigste

der kleinen 'Vase du jour', die sie im Mantel oder Pelz verborgen hielt....''

Der Pater verdammte den damaligen Kleiderluxus. Die intimen kleinen

Nachttöpfe, die oft luxuriös bemalt waren, waren Teil des auffendigen

Lebensstils, auch die 'étoffes communs' wurden nach ihm benannt. Der

Name erscheint erst 50 Jahre nach dem Tod des Jesuiten im Dictionnaire

de Trévoux von 1771:'' Bourdalou...On a aussi donné ce nom à ume sorte

de pot de chamvbre oblong, dans ce sens il est masculin.''

Schon im 18. Jahrhundert ein gesuchtes Objekt, verrät die 'Taxe 11', dass

ein ovaler Nachttopf, inwenidg vergoldet und auswendig bemalt, für Kauf-

leute 40 und für den Particulier 45 Taler kostete. Das ist eine Riesensum-

me, wenn man bedenkt, dass Johann Gregorius Höroldt zur gleichen Zeit

den damals hohen Monatslohn von 85 Talern hatte.

Ein diskretes aber öffentlich verwendetes Objekt war das Bourdalou, das

in vielen Manufakturen produziert wurde. Vom französischen Hof weiss

man, dass sowohl die ''sage-femme'', die 'Relifieuse'' und die Maîtresse,

der König und die Pompadour, der Maréchal de Saxe, der Präsident, die

Comtesse, die Marquise und tausend andere Parfümierte ein Bourdalou als

ständigen Begleiter bei sich hatten. In Versailles standen täglich 724 ''Chai-

ses percées'' und hunderte von Bourdalous den Herrschaften zu Diensten.

(Siegfried Ducret, Boudalous, KFS 1953/26, S. 15-17).

CHF 16 000 / 20 000

EUR 14 800 / 18 500

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(Detail)

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