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Impressionismus & Klassische Moderne

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3226* PIERRE BONNARD

(Fontenay-aux-Roses 1867 - 1947 Le

Cannet)

Paysage, Arbres fruitiers. Um 1909.

Öl auf Papier, auf Leinwand aufgelegt.

Unten links mit Stempelsignatur: Bonnard.

48 x 62 cm.

Wir danken Frau Dr. Bettina Best für die

wissenschaftliche Unterstützung.

Provenienz:

- Nachlass des Künstlers.

- Privatsammlung Paris.

Literatur:

- Dauberville, Jean/Dauberville, Henry:

Bonnard. Catalogue raisonné de l'oeuvre

peint, 1940-47 et supplement, Paris

1974, Bd. IV, Nr. 01949, S. 285 (mit Abb.).

- Cahn, Isabelle: Bonnard. Peintre l'Arcadie.

Ausst. Kat., Musée d'Orsay, Paris 2015.

Bonnard fährt seit 1909 nahezu jährlich

ins Midi. Im Juni desselben Jahres reist er

zum ersten Mal an die Côte d’Azur. Sein

Malerfreund Henri Manguin hat ihn nach

Maleribes eingeladen, das heute ein Vorort

von St. Tropez ist. Bonnard und Manguin

teilen ihre Leidenschaft für die Natur, die

Landschaft und die Farben.

Bonnard kehrt immer wieder zurück nach

St. Tropez, Grasse, Cannes und Le Cannet

bis er sich 1926 ein kleines Haus in den

Hügeln über Cannet mit Blick auf das

Mittelmeer kauft, das er "Le bosquet", das

Gehölz, tauft. Dort verbringt er bis 1947

weitgehend seinen Lebensabend.

Während Bonnards erstem Besuch im

Midi schafft er unser Gemälde "Paysage,

Arbres fruitiers". Dieser ruhige und licht-

volle Ort inspiriert Bonnard zur glutvollen

Sinnlichkeit vitaler Farben. Seine Palette

hellt sich auf, die Landschaft avanciert zu

einem Lebensraum im Freien und seine

Bilder erhalten diese expressive Farb-

kraft, die herb und gehalten bleibt: blaue

Schatten, gelbe Wiesen, orange Blätter

und intensive Himmel lösen die bisher

gedämpfte Palette des in Paris ansässigen

Malers endgültig ab.

ImUnterschied zu den Bildern des Freun-

des Henri Manguin kann man Bonnards

Schöpfungen "gebaute Bilder" nennen.

Sie sind Räume, in denen sich die Fantasie

entfalten kann. Das Liniengerüst der Äste

vertieft sich in unseremGemälde imDun-

kel des Laubs zu blau-kühlender Dichte –

demAußenraum des Gartens den Innen-

raum der Baumkrone entgegensetzend.

Unter diesem schattigen Sonnendach

verliert sich der Wiesenpfad, gesäumt von

der über ihre Arbeit gebeugten Bäuerin am

vorderen Bildrand. Auf ihm dürfen die Ge-

danken entlang spazieren, um sich in der

Ferne in ihren trägen Tagträumen in einem

paradiesischen Garten voller Sinnlichkeit

zu verlieren, in dem das goldfarbene Oran-

ge sommerliche Hitze versprüht.

In einer für ihn typischen Manier gliedert

Bonnard die groß angelegte Landschaft

in verschiedene Flächenkompartimente:

die Baumkronen, den Hintergrund, eine

seltsam abstrakte Dreicksform am linken

Bildrand und ein mit lockerem Pinsel

angelegtes Flächensegment in der linken

oberen Bildecke. Eine Straße begrenzt den

sonnigen Ort der in die Weite führenden

Felder. Auf der anderen Seite leuchten

die roten Dächer der Häuser Maleribes

hinüber, die den Blick von der Höhe des

Hügels der Villa Demière hinab und wieder

hinauf in die Weite des Himmels führen:

Am hochgelegenen Horizont rundet sich

unser idyllischer Bauerngarten zu einem

abgeschlossenen Kosmos.

Jedes dieser Flächen-Kompartimente im

Bild stellt der Maler aus einem anderen

Blickwinkel dar. Sie stehen wie eine Kollage

zusammen, und geben auf außergewöhn-

liche Weise den Gesamteindruck eines

Raumes, wie er zwar vommenschlichen

Auge, nicht aber von einer Fotolinse er-

fasst werden kann. Bonnard selbst nannte

diese Kompositionsweise ein "Abenteuer

des optischen Nervs". Die räumlichen

Verschränkungen und unklaren Veror-

tungen der diversen Flächenkomparti-

mente konterkarieren in unserem Bild den

Eindruck einer vordergründigen Harmonie.

So bringt das subtile Zusammenspiel

verschiedener Raumwirkungen und nuan-

cierter Farbgebungen die Zeit im erfüllten

arkadischen Augenblick zum Stillstand.

Bonnard hat den Landschaftsprospekt un-

seres Gemäldes "Paysage, Arbres frutiers"

noch einmal in seinem nahezu gleichgro-

ßen Gemälde "Le Linge" dargestellt. Jean

und Henry Dauberville datieren es zu-

sammen mit unseremGemälde in die Zeit

um 1909. Beide Gemälde stammen aus

demNachlass des Künstlers und sind im

Supplementband des Werkverzeichnisses

unter Nr. 01948 und Nr. 01949 aufgeführt.

CHF 80 000 / 120 000

(€ 74 070 / 111 110)