Impressionismus & Klassische Moderne
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3225* GABRIELE MÜNTER(Berlin 1877 - 1962 Murnau)
Zigeunerwagen II. 1930.
Öl auf Malkarton.
Verso mit Nachlassstempel.
37,7 x 45,7 cm.
Dieses Werk wird in das von der Gabriele
Münter- und Johannes Eichner-Stiftung
herausgegebene Werkverzeichnis der
Gemälde von Gabriele Münter aufgenom-
men.
Provenienz:
- Galerie Gunzenhauser, München.
- Privatbesitz Deutschland (in den 70er
Jahren bei obiger Galerie erworben).
Direkt in der Bildmitte geparkt, den Wa-
genverschlag weit offen und ein zweites
Wagenelement dagegen gekippt, springt
die Leere und Verlassenheit des Zigeuner-
wagens ins Auge. Dieses spannungsgela-
dene Bild – intensiv in der Komposition, in
der Farbwahl und in der Raumauffassung
– steht amUmbruch Münters eigenen
Vagabundenzeit zu einem ruhigeren,
beständigem Lebensabschnitt.
Die Nachkriegsjahre in Skandinavien nach
der Trennung von Wassily Kandinsky und
die 20er Jahre mit häufigen Ortswech-
seln und einer anhaltenden Einsamkeit
haben Gabriele Münter tief verunsichert.
Halt geben ihr in dieser Zeit vor allem ihre
Bleistiftzeichnungen sowie die vertrauten
Motive der Murnauer Voralpenlandschaft,
wohin es sie immer wieder zurückzieht.
Ein längerer Aufenthalt in Paris 1929
/1930 mit Johannes Eichler, ihrem zweiten
Lebensgefährten, verleiht ihrem Schaffen
neue Impulse.
Im gleichen Jahr reist sie nach Süd-
frankreich weiter. Auch hier arbeitet sie
beständig mit Bleistift und Öl und lässt sich
von der südfranzösischen Landschaft und
dem Leben dort inspirieren. Qualitativ und
quantitativ erfährt ihre Malerei durch die
Zeit in Frankreich Anfang der 1930er Jahre
einen großen Aufschwung. Sie kämpft
erneut um ihre Bildsprache, schwankt
zwischen neusachlichen Tendenzen und
expressionistischemAusdruck, befreit
sich immer wieder vom perspektivischen
Raum, sucht die Vereinfachung der Form
und Dichte der konturenbetonten Farbflä-
chen. In demWerk „Zigeunerwagen II“ ist
dieser Kampf spürbar.
Der unruhige, kurze Pinselstrich verleiht
dem Bild eine starke Dynamik, welche
durch den durchschimmernden Malgrund
des Kartons, die Durchlässigkeit der
Farbe, erhöht wird. Der Verzicht auf eine
perspektivische Bildkonstruktion verstärkt
die Präsenz der einzelnen Bildelemente,
verzahnt sie, löst die einzelnen Farbflächen
von ihrer immanenten Funktion und lässt
sie autonom nebeneinander erscheinen.
Besonders interessant an „Zigeunerwagen
II“ ist die Wahl des Sujets, die Experimen-
tierfreude in der Wahl des Bildthemas, die
sich schon in Münters Skandinavien Zeit
angekündigt hatte.
Durch die Inspirationen ihres Frankreich-
aufenthaltes hat sie die Palette der Bild-
themen nochmals erweitert. Anstelle der
ruhigen Landschaftsbilder und Stillleben
werden die Menschen und ihr direktes
Umfeld zum Bildgegenstand. Bei aller
Experimentierfreude im Sujet, zeigt sich
dennoch in vielen stilistischen Bildele-
menten Münters Rückbesinnung auf ihre
eigene expressionistische Tradition aus
der Zeit des „Blauen Reiters“. Nicht nur die
Kontur der Formen, auch die Reduzierung
aller Details und Geometrisierung der Ob-
jekte knüpft an diese Bildsprache an.
CHF 100 000 / 150 000
(€ 92 590 / 138 890)