Previous Page  30 / 65 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 30 / 65 Next Page
Page Background

3224

ANKER, ALBERT

(1831 Ins 1910)

Schreibendes Mädchen. 1902.

Aquarell auf Papier.

Unten links signiert und datiert: Anker 1902.

24,5 x 35 cm (Lichtmass).

Provenienz:

Schweizer Privatsammlung.

Albert Anker zählt zu den bedeutendsten

Künstlern der Schweiz und seine Werke

erfreuten sich schon zu Lebzeiten nicht nur im

eigenen Land, sondern auch über die Grenzen

hinaus einer grossen Resonanz, besonders in

Paris, wo Anker zeitweilig studiert und später

mit seiner Familie 35 Winterhalbjahre verbracht

hatte (siehe hierzu: Ten-Doesschate Chu,

Petra: Eine nationale Ikone im internationa-

len Kontext. In: Frehner, Matthias / Bhat-

tacharya-Stettler, Therese / Fehlmann, March

(Hrsg.): Albert Anker und Paris. Zwischen Ideal

und Wirklichkeit. Ausstellungskatalog Kunst-

museum Bern, Bern 2003, S. 61-73). Dabei blieb

er in seiner Themenwahl dem ländlichen Leben

seiner Heimat um Ins im Berner Seeland ein

Leben lang treu.

Ein Schlaganfall im Jahre 1901 zwang den

siebzigjährigen Albert Anker die Ölmalerei, mit

der er sich vorwiegend befasste, grösstenteils

einzustellen und sich auf das Aquarellieren zu

konzentrieren, das er mit der linken Hand aus-

führen konnte. In dieser Zeit entstand das hier

angebotene Aquarell, welches möglicherweise

auch für die Pariser Gesellschaft vorgesehen war,

denn ab 1902 verkehrte der erste Schnellzug von

Bern nach Paris mit Halt in Ankers Heimat-

ort Ins und verkürzte fortan das Reisen in die

Weltstadt ungemein (siehe hierzu auch „Warum

der Schnellzug nach Paris in Ins angehalten hat.

Erinnerung an eine kleine Inser Geschichte“

von Beat Gutter, in: Ländliche Gesellschaft und

materielle Kultur bei Albert Anker (1831-1910),

Berner Zeitschrift für Geschichte, 72. Jahrgang,

Bd. 2/10, S. 143ff.).

Albert Anker scheint sich erst in den 1870er

Jahren mit der Aquarellmalerei befasst zu haben.

Womöglich inspirierte ihn erst die Fayence-

arbeit, die ebenfalls eine auf Wasserfarben

basierende Maltechnik ist. Dabei lässt sich die

Sympathie für diese Technik in Ankers Oeuvre

in zwei Schaffensphasen einteilen: die eine bis

ca. 1890, in der es sich vorwiegend um Studien

für seinen persönlichen Gebrauch handelt, und

die zweite nach seiner endgültigen Rückkehr

nach Ins, in der die Arbeiten im Auftrag und

für den freien Verkauf sowie für Ausstellungen

entstanden und zu dieser auch unsere Arbeit

zählt (Kuthy, Sandor / Bhattacharya-Stettler,

Therese: Albert Anker (1831-1910). Werkkata-

log der Gemälde und Ölstudien, Basel, 1995, S.

31-32). Er legte ein allgemeines Mass für seine

Aquarelle von 35 x 25 cm fest, welches ungefähr

dem Format eines Fayencetellers entsprach (ca.

30/33 cm Durchmesser). Die Aquarellmalerei

dürfte in den letzten zehn Jahren seines Schaf-

fens seine Haupteinnahmequelle gewesen sein.

Während andere Themen häufiger wiederholt

wurden, bleibt das „Schreibende Mädchen“ als

Motiv eher selten. Zwei Jahre später greift er

1904 unsere Komposition leicht variiert und in

grösserem Format in Öl auf Leinwand erneut auf

(ebd., Nr. 575, S. 245).

Das hier angebotene Aquarell, welches kürzlich

in einer Schweizer Privatsammlung entdeckt

wurde, ist von hoher Qualität und zeichnet sich

durch die charakteristische Feinmalerei und

subtile Kunstfertigkeit des Künstlers aus, gezielt

einen Moment stimmungsvoll einzufangen. So

wird der Betrachter angehalten, das Mädchen,

welches versunken beim Schreiben am Tisch

dargestellt ist, nicht in ihrer Konzentration zu

stören.

CHF 40 000 / 60 000

EUR 37 000 / 55 600

3224

| 111