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ERNST LUDWIG KIRCHNER

(Aschaffenburg 1880 - 1938 Frauenkirch/

Davos)

Der Wanderer. 1922.

Kaltnadelradierung, 3. Zustand, einer von

bisher 9 bekannten Exemplaren dieses Zu-

standes. Verso mit demNachlassstempel:

Nachlass E.L. Kirchner R395 III. Darstellung

18,2 x 30,5 cm auf Vélin 30,4 x 42,6 cm.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Gercken für

seine wissenschaftliche Unterstützung.

Das Werk wird in sein in Vorbereitung be-

findliches Werkverzeichnis der Druckgrafik

Ernst Ludwig Kirchners unter der Nummer

1309 aufgenommen.

Werkverzeichnis: Dube, Nr. R407 (III von

IV).

1917 kommt der schwerkranke und vom

Ersten Weltkrieg traumatisierte Ernst

Ludwig Kirchner erstmals zu ärztlicher

Behandlung nach Davos. Von Lähmungs-

erscheinungen in Beinen und Armen sowie

seiner Drogen- und Medikamentensucht

gezeichnet, soll die Schweiz ein kurz-

fristiger Zufluchtsort der Genesung und

Erholung sein, wird aber schnell zur neuen

Heimat und Motor für eine neue Schaf-

fensphase in seinemOeuvre. Bereits im

darauffolgenden Jahr mietet er das Haus

„In den Lärchen“, das er als Sommersitz

behält. 1921 siedelt seine Lebensgefährtin

Erna Schilling endgültig in die Schweiz über,

und 1923 ziehen beide in ihr neues Haus

auf demWildboden bei Frauenkirch.

Für Kirchner bietet die Bergwelt Schutz vor

dem Krieg. Er klammert sich an die von ihm

so positiv empfundene Landschaft, erkun-

det die neue Umgebung und sucht aktiv

den Kontakt mit den Bauern, was ihm über

seine psychischen und physischen Proble-

me einstweilen hinweg hilft. Reidemeister

beschreibt Kirchners Weg nach Davos wie

folgt: „... nach mannigfaltigen Stationen

einer qualvollen Krankheitsgeschichte

[hat er] in der Bergwelt des Davoser Tals

wieder Wurzeln geschlagen, um dort zum

Interpreten einer grandiosen Natur und

eines starken, in ihren Rhythmus ein-

gebundenen Menschengeschlechts zu

werden.“ (Ausst.Kat.: Expressionismus

in den Bergen, u.a. Kunstmuseum Berlin,

2007, S. 9).

Seine Bewunderung der naturverbunde-

nen und körperlich hart arbeitenden Bau-

ern drückt Kirchner in dieser Zeit in zahlrei-

chen Druckgrafiken aus. Am bekanntesten

sind in diesemZusammenhang seine

Holzschnitte, aber wie wir im vorliegenden

Werk „Der Wanderer“ sehen, hat er sich

auch mit der Radierung intensiv ausein-

andergesetzt. Die Arbeit besticht durch

ihr aussergewöhnliches Querformat, in

dessen Mitte auf einemWeg der Wanderer

durch die schweizerischen Berge geht. Mit

wenigen Strichen erschafft Kirchner eine

Bergwelt, in der er den Wanderer durch die

kräftigen, engen Kaltnadelstriche promi-

nent in Szene setzt.

Die vorliegende Radierung beweist

eindrucksvoll die Qualität von Kirchners

druckgrafischemWerk.

CHF 15 000 / 20 000

(€ 13 890 / 18 520)

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Grafik, Multiples & Fotografie