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Page Background 1101 1 PAAR PRUNK-GIRANDOLEN „AU CYGNE“,

Transition und spä-

ter, das Porzellan aus der Manufaktur Meissen, nach einem Modell von J.J.

KAENDLER (Johann Joachim Kaendler, 1706-1775), 19. Jh., die Bronze

aus einer Pariser Meisterwerkstatt, teils um 1765.

Fein bemaltes Porzellan, vergoldete Bronze sowie bemaltes Blech.

Kauernde Schwanenfigur unter Bogengerüst, umgeben von 3 markant

geschweiften, girlandenbeschmückten Lichtarmen mit breiten Tropftellern

und vasenförmigen Tüllen, auf profiliertem Rundsockel mit Girlanden und

kannelierten Quaderfüssen. Ersetzte Tüllen und Tropfteller. H 62 cm.

Provenienz: Hochbedeutende Privatsammlung, Genf.

Mit Gutachten des Cabinet Etienne/Molinier, Paris 2017.

J,; Kaendler schuf die Schwanenfigur in den ausgehenden 1740er Jahren.

Die Figur wurde in diversen Grössen gefertigt, von welchen die hier

angebotenen die grösste Ausführung darstellen. Eine kleinere Ausführung

wurde bei Sotheby‘s London am 2.3.1994 (Katalognr. 105) verkauft. Oft

wurden diese Porzellanfiguren in Bronze montiert, um als Tischleuchter

Verwendung zu finden. Solche Leuchter mit drei Lichtarmen finden

sich u.a. in der Wrightsman Collection, ein Paar in den Sammlungen des

Quirinal in Rom, ein weiteres Paar mit identischen Schwänen und Bronze-

montierung im „style Louis XV“ wurde bei Didier Aaron, Paris, angebo-

ten. Ein Paar Girandolen mit Porzellanfiguren als Allegorien der Künste

und der Wissenschaften, stammend aus der Sammlung D. Mavrommatis,

besitzt analoge Bronzeelemente aus der Epoche der Transition und wurde

bei Sotheby‘s London am 8.7.2008 (Katalognr. 59) verkauft.

Währenddem die Manufaktur für die Porzellanfiguren eindeutig iden-

tifizierbar ist, erscheint es ungemein schwieriger, die Werkstatt für die

Bronzearbeiten zu finden, zumal die Dokumente der Pariser „marchands

merciers“, welche vor allem für solche Elaborate verantwortlich waren,

diesbezüglich sehr spärlich sind. Belegt ist, dass Lazare Duvaux, einer

der wichtigsten Vertreter seiner Zunft, der untere anderen Madame de

Pompadour belieferte, im Jahre 1751 dem Comte d‘Egmont „une paire de

girandoles à terrasse et trois branches de bronze doré d‘or moulu sur des

cygnes de Saxe“ verkaufte. Im Jahre 1754 findet sich in den Unterlagen

von Joachim Hébert „une paire de girandoles sur des cygnes de Saxe, sur

lesquelles on a ajouté des roses“ - womöglich das Paar, das heute Teil der

Sammlungen des Rijksmuseum in Amsterdam ist.

In den Jahren um 1740/50 wurden erstmals Porzellan-Objekte mit Einrich-

tungsgegenständen kombiniert. Der Reiz lag darin, die nahezu „unzerstör-

baren“ Bronzen mit fragilen, bemalten Porzellanelementen zu verbinden

und durch diesen Kontrast eine neue Dekorationssprache zu finden. Au-

genfälligstes Merkmal dieser Pendulen, Cartelle und Girandolen war die

hochwertige Qualität und ausserordentliche Eleganz. Für diese Entwick-

lung waren die innovativen „marchands-merciers“ P. Hébert, F. Poirier, L.

Daguerre und P. Lazare-Duvaux verantwortlich - sie kauften Porzellanfi-

guren in Manufakturen, brachten sie den „bronziers“ und liessen daraus

nach eigenen Angaben oder den Vorstellungen ihrer Kundschaft neue

Prunkobjekte herstellen. Der Vielfalt schienen keine Grenzen gesetzt - an

einer einzelnen Pendule können sich Meissner Figuren und Blumen von

Vincennes oder Chantilly befinden, als Motive dienten galante Szenen,

Personen aus der Commedia dell‘Arte, Bauern, Jäger, orientalische und

chinesische Edelleute sowie Tiere. Die Kombination dieser Elemente und

Sujets verliehen den prunkvollen Pendulen die für das Rokoko so typische

Leichtigkeit und Eleganz.

Lit.: H. Jedding, Meissener Porzellan des 18. Jahrhunderts in Hamburger

Privatbesitz, Hamburg 1982 (Ausstellungskatalog); S. 192-194 und S. 209

(Abb. des chinesischen Paares). R. Rückert / J. Willsberger, Meissen -

Porzellan des 18. Jahrhunderts, Wien 1977; Tafel 128 (das Schreibzeug aus

dem Bayerischen Nationalmuseum).

CHF 40 000 / 70 000

(€ 37 040 / 64 810)

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