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Page Background 1106 FOLGE VON 4 STÜHLEN „A LA REINE“,

Louis XV,

sign. J.E. ST GEORGES (Jean Etienne Saint Georges, Meister 1747),

Paris um 1765/70.

Buche fein beschnitzt mit Rocaille, Mäanderband und Zierfries sowie

vergoldet. Geschweifter, trapezförmiger geschweifter Sitz auf wellig

ausgeschnittener Zarge mit geschweiften Beinen. Flache, geschweifte Rü-

ckenlehne. Heller, gemusterter Damastbezug. Vergoldung mit Fehlstellen.

61x58x44x95 cm.

Provenienz:

- Auktion Koller Zürich, 17.5.1979 (Katalognr. 1874).

- Privatbesitz, Westschweiz.

J.E. Saint-Georges übernahm das väterliche Atelier in der Rue de Cléry.

In Zusammenarbeit mit seinem Schwager, dem berühmten Claude I Séné,

fertigte er zahlreiche Louis-XVI- und Transition-Möbel sowie ein paar

wenige, aber bedeutende Louis-XV-Sitzmöbel und war vor allem für die

lokalen „marchands-merciers“ und Tapezierer tätig, wie z.B. für die Gebrü-

der Presle. Saint-Geroges‘ Werke bestachen durch akkurate Schnitzereien,

die er manchmal bei Pierre Groult, Vincent Nauroy, Nicolas Grouel oder

Guillaume Hutin in Auftrag gab, durch die „souplesse“ der Formen und die

perfekte Proportion.

CHF 4 000 / 7 000

(€ 3 700 / 6 480)

1107* SCHREIBTISCH „AUX ROSACES“,

sog. „table liseuse“, Louis XV,

J.F. OEBEN (Jean François Oeben, Meister 1761) zuzuschreiben,

Paris um 1760.

Rosenholz, Palisander und teils getönte Edelhölzer gefriest sowie aus-

serordentlich fein eingelgt mit stilisierten Rosetten, Blumen, Blättern,

Mäanderband, Filets und Zierfries. Geschweiftes, rechteckiges, wenig vor-

stehendes, in fein durchbrochener Bronzegalerie gefasstes und schiebbares

Blatt auf wellig ausgeschnittener Zarge mit hohen, geschweiften Beinen.

Front mit 1 Schublade mit aufklappbarem, mit hellblauer Seide bezogenem

Tablett sowie Kompartimenten für das Schreibzeug. Feine, matt- und

glanzvergoldete Bronzebeschläge und -sabots. 58,5x37x74,5 cm.

Provenienz: Aus französischem Schlossbesitz.

Für analoge Schreibtische von J.F. Oeben - sei es in der Konstruktion mit

dem schiebbarem Blatt, sei es in der Marketerie - siehe P. Kjellberg, le

mobilier français du XVIIIe siècle, Paris 1989; S. 610-613.

J.F. Oeben wurde in Franken geboren. Das genaue Jahr seiner Ankunft in

Paris ist leider nicht bekannt. Einige Jahre lang hatte er sein Domizil wohl

in der Rue du Faubourg-Saint-Antoine, ehe er begann, mit Charles-Joseph

Boulle zusammen zu arbeiten, einem Sohn des berühmten André-Charles

Boulle. Zu dieser Zeit fertigte er die sieben Rahmen mit Einlegearbeiten

für Madame de Pompadour, was der Anfang einer jahrelangen Beziehung

zwischen der illustren Kunstliebhaberin und dem Ebenisten war. 1754,

nach dem Tod von C.J. Boulle, wurde Oeben dank des Einflusses von

Madame de Pompadour und auf Empfehlung von Marigny zum „ébéniste

du Roi“ der Manufacture des Gobelins ernannt. Die einzigartige Karriere

von J.F. Oeben begann. Zu seinem Kundenkreis gehörten unter anderem

auch der Duc de la Vallière, die Duchesse de Villars-Brancas, der Marquis

de la Vaupalière und die Marquise d‘Ussée. Er war ein Pionier seines Fachs

und trug mit seinen Kreationen wesentlich zur Entwicklung des franzö-

sischen Möbels bei. Dank seiner Geschicklichkeit im Umgang mit Eisen

konnte er viele der komplizierten Schlösser für Schubladen, Geheimfä-

cher und vieles andere in seinem eigenen Atelier fertigen. Tischchen mit

abnehmbaren Oberteilen als Krankentische, Schreibmöbel mit eingebau-

ten Kassetten für die Aufbewahrung geheimer Dokumente, komplizierte

Kleinmöbel und Möbel für den täglichen Gebrauch zeugten von einer

beeindruckenden Feinheit und Raffinesse. Für Madame de Pompadour

stellte er einen Fauteuil her, der auch als Bibliothekstreppe verwendet

werden konnte. Bald wurden die Räumlichkeiten in der Manufacture des

Gobelins zu klein, 1756 zog er um. Als „ouvrier de la Couronne“ musste

Oeben seine Arbeiten nicht signieren; er trat erst 1761 der Pariser Zunft

bei. In den letzten Lebensjahren erhielt Oeben wohl seinen bedeutendsten

Auftrag, nämlich für die Herstellung des berühmten „bureau du Roi“, der

sich heute wieder in Versailles befindet. Er selbst hat die Vollendung dieses

Meisterwerkes nicht mehr miterlebt, er starb, ehe er das Stück fertig stel-

len konnte. Sein Schüler Jean-Henri Riesener beendete die angefangenen,

umfangreichen Arbeiten seines Meisters 1769.

CHF 45 000 / 65 000

(€ 41 670 / 60 190)

Möbel & Kunstgewerbe |

Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen, Sakrale Skulpturen, Porzellan, Silber

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