Previous Page  22 / 123 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 22 / 123 Next Page
Page Background

|

20

Schweizer Kunst

3021

ANKER, ALBERT

(1831 Ins 1910)

Die Armensuppe. 1859.

Öl auf Leinwand.

Unten rechts signiert und datiert: Anker

1859.

81,5 x 65 cm.

Provenienz:

- Sammlung Mme. Favaeger-Bourgeois.

- Sammlung J. Jequier, 1910.

- Sammlung Anker, Chicago.

- Privatbesitz Basel, 1962.

- Germann, Zürich, Mai 1976, Los 13.

- Bedeutende Zürcher Privatsammlung.

Literatur:

- Livre de vente, 4.6.1861.

- Quinche-Anker, Marie: Le peintre Albert

Anker, 1831-1910, d‘après sa correspon-

dance, Bern 1924, S. 60.

- Huggler, Max / Wagner, Hugo / Wal-

terskirchen von, Katalin: Albert Anker

- Katalog der Gemälde und Ölstudien,

Kunstmuseum Bern, Bern 1962, Nr. 41.

- Kuthy, Sandor und Lüthy, Hans: Albert

Anker - Zwei Autoren über einen Maler,

Zürich 1980, S. 17, 21, 32 (mit Abb. S. 43).

- Kuthy, Sandor und Bhattacharya-Stettler,

Therese: Albert Anker - Werkkatalog der

Gemälde und Ölstudien, Basel 1995, S.

72, Nr. 34 (mit Abb.).

Ausstellungen:

- Neuchâtel, 8.5.-6.6.1860, Neuvième

exposition de la Société des Amis des

Arts, Nr. 2.

- Neuchâtel, 1.-30.11.1910, Exposition

Albert Anker, Salles Léopold Robert, Nr. 9.

- Zürich, 6.-27.10.1911, Ausstellung Albert

Anker, Kunsthaus Zürich, Nr. 2.

- Bern, 17.9.-11.12.1960, Albert Anker,

Kunstmuseum Bern, Nr. 9 (verso Etiket-

te).

- Ins, 19.9.-18.10.1981, Albert Anker - Der

Maler und seine Welt, Sporthalle Ins, Nr. 7

(verso Etikette).

- Pfäffikon, 5.5.-11.8.1991, Albert Anker,

Seedamm-Kulturzentrum, Nr. 7.

- Ins, 19.9.-15.10.2000, Albert Anker -

Wege zumWerk, Sporthalle Ins, Nr. 74

(verso Etikette).

Im Sommer 1854 fasste Albert Anker den

vergleichsweise späten Entschluss mit

bereits dreiundzwanzig Jahren Maler zu

werden. „Es ist ja göttliche Gabe, wie jede

Andere, und da ich sie nun einmal habe,

mehr habe als viele, die sich der Kunst

völlig widmen, was soll ich sie mit Gewalt

unterdrücken?“ (Kuthy und Lüthy /1980,

S. 13). Mit jenen Überlegungen stimmte

Anker nach längeremZögern auch seinen

Vater um, das Theologiestudium in Bern

vorzeitig zu beenden und sich in Paris einer

Ausbildung als Maler zu widmen. Nur fünf

Jahre nach seinemUmzug in die franzö-

sische Hauptstadt und seiner Lehre beim

Schweizer Maler Charles Gleyre (1806-

1874) entsteht 1859 das hier angebotene

Gemälde „Armensuppe“. Ankers Verbin-

dung zur französischen Malerei vor allem

zum französischen Maler François Bonvin

(1817-1887) wird in diesem frühen Werk

besonders deutlich.

Bonvin inspirierte Anker durch dessen

„neue Bildgattung, welche den Sinn der

bildenden Kunst im anspruchslosen Motiv

suchte, ohne wie noch im 17. Jahrhundert

die Anekdote oder die pittoreske Seite

dieser Welt darstellen zu wollen“ (ebd.

S. 16). Jener realistischen Themenwelt

nahm sich Albert Anker ebenfalls an.

Zudem kann Ankers „Armensuppe“ mit

einemVorbild von Bonvin in Verbindung

gebracht werden, da dieser im Salon La

Charité 1852 ein ungewöhnlich grosses

Gemälde mit demTitel „Die Armensuppe“

(Musée des Beaux-Arts Niort, Deux-Sèv-

res) zeigte.

Für seine Umsetzung der Thematik,

greift Albert Anker, auf seine Heimat, das

Dorf Ins im Berner Seeland und dessen

Bevölkerung zurück. Der Ausschank

von warmer Suppe während den kalten

Wintermonaten an Kinder und deren

Familien wird durch Ankers besonderes

Talent der Verbindung von Figur, Raum und

Gegenstand sehr bewegend dargestellt.

Die besondere, zentrierte Lichtwirkung

dramatisiert die lautlose Anspannung der

wartenden Kinder und des Mannes in der

grossen, einfach gehaltenen Küche. In

der Lichtquelle des Raumes und zugleich

immittigen Fokus des Bildes erwartet ein

Mädchen, sich bereits vor Hunger und

wohl auch Vorfreude den Bauch strei-

chend, die ihr zustehende Portion der

heissen Inser Suppe. Dabei ist ihr Blick

konzentriert auf den roten Tonkrug ihrer

Familie gerichtet, der soeben von der

Köchin, die dem Betrachter den Rücken

kehrt, gefüllt wird.

Ankers besondere Behandlung des

Innenraums mit seinen imHintergrund

verschwindenden zahlreichen Küchenu-

tensilien, den schimmernden Kupferpfan-

nen und den traditionellen abgehangenen

Zwiebelketten verleihen demGemälde

seinen realistischen Charakter und eine

vertraute Atmosphäre. Die farbliche Ge-

staltung richtet sich zudem nach Gleyres

Empfehlung, „ein Gemälde auf einen

einheitlichen Grundton abzustimmen und

nur wenig davon abzuweichen“ (ebd. S. 15).

So stechen die wenigen roten Elemente

im Bild besonders hervor und bilden einen

angenehmen Kontrast zu den zahlreichen

Naturfarben.

Anker wollte gemeinsammit der „Armen-

suppe“ auch sein Gemälde „Die Strick-

schule“ für den Salon 1861 einreichen,

jedoch wurden beide Bilder an einer Aus-

stellung zurückgehalten und kurz danach

verkauft. Das Sujet der Armensuppe greift

Anker viele Jahre später, 1893, nochmals

in seinemGemälde „Armensuppe II“ auf

(vgl. Abb 1 .).

CHF 1 200 000 / 1 500 000

(€ 1 111 100 / 1 388 900)

Abb. 1 Die Armensuppe in Ins II, 1893.

Kunstmuseum Bern, Staat Bern.