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Schweizer Kunst
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ANKER, ALBERT(1831 Ins 1910)
Die Armensuppe. 1859.
Öl auf Leinwand.
Unten rechts signiert und datiert: Anker
1859.
81,5 x 65 cm.
Provenienz:
- Sammlung Mme. Favaeger-Bourgeois.
- Sammlung J. Jequier, 1910.
- Sammlung Anker, Chicago.
- Privatbesitz Basel, 1962.
- Germann, Zürich, Mai 1976, Los 13.
- Bedeutende Zürcher Privatsammlung.
Literatur:
- Livre de vente, 4.6.1861.
- Quinche-Anker, Marie: Le peintre Albert
Anker, 1831-1910, d‘après sa correspon-
dance, Bern 1924, S. 60.
- Huggler, Max / Wagner, Hugo / Wal-
terskirchen von, Katalin: Albert Anker
- Katalog der Gemälde und Ölstudien,
Kunstmuseum Bern, Bern 1962, Nr. 41.
- Kuthy, Sandor und Lüthy, Hans: Albert
Anker - Zwei Autoren über einen Maler,
Zürich 1980, S. 17, 21, 32 (mit Abb. S. 43).
- Kuthy, Sandor und Bhattacharya-Stettler,
Therese: Albert Anker - Werkkatalog der
Gemälde und Ölstudien, Basel 1995, S.
72, Nr. 34 (mit Abb.).
Ausstellungen:
- Neuchâtel, 8.5.-6.6.1860, Neuvième
exposition de la Société des Amis des
Arts, Nr. 2.
- Neuchâtel, 1.-30.11.1910, Exposition
Albert Anker, Salles Léopold Robert, Nr. 9.
- Zürich, 6.-27.10.1911, Ausstellung Albert
Anker, Kunsthaus Zürich, Nr. 2.
- Bern, 17.9.-11.12.1960, Albert Anker,
Kunstmuseum Bern, Nr. 9 (verso Etiket-
te).
- Ins, 19.9.-18.10.1981, Albert Anker - Der
Maler und seine Welt, Sporthalle Ins, Nr. 7
(verso Etikette).
- Pfäffikon, 5.5.-11.8.1991, Albert Anker,
Seedamm-Kulturzentrum, Nr. 7.
- Ins, 19.9.-15.10.2000, Albert Anker -
Wege zumWerk, Sporthalle Ins, Nr. 74
(verso Etikette).
Im Sommer 1854 fasste Albert Anker den
vergleichsweise späten Entschluss mit
bereits dreiundzwanzig Jahren Maler zu
werden. „Es ist ja göttliche Gabe, wie jede
Andere, und da ich sie nun einmal habe,
mehr habe als viele, die sich der Kunst
völlig widmen, was soll ich sie mit Gewalt
unterdrücken?“ (Kuthy und Lüthy /1980,
S. 13). Mit jenen Überlegungen stimmte
Anker nach längeremZögern auch seinen
Vater um, das Theologiestudium in Bern
vorzeitig zu beenden und sich in Paris einer
Ausbildung als Maler zu widmen. Nur fünf
Jahre nach seinemUmzug in die franzö-
sische Hauptstadt und seiner Lehre beim
Schweizer Maler Charles Gleyre (1806-
1874) entsteht 1859 das hier angebotene
Gemälde „Armensuppe“. Ankers Verbin-
dung zur französischen Malerei vor allem
zum französischen Maler François Bonvin
(1817-1887) wird in diesem frühen Werk
besonders deutlich.
Bonvin inspirierte Anker durch dessen
„neue Bildgattung, welche den Sinn der
bildenden Kunst im anspruchslosen Motiv
suchte, ohne wie noch im 17. Jahrhundert
die Anekdote oder die pittoreske Seite
dieser Welt darstellen zu wollen“ (ebd.
S. 16). Jener realistischen Themenwelt
nahm sich Albert Anker ebenfalls an.
Zudem kann Ankers „Armensuppe“ mit
einemVorbild von Bonvin in Verbindung
gebracht werden, da dieser im Salon La
Charité 1852 ein ungewöhnlich grosses
Gemälde mit demTitel „Die Armensuppe“
(Musée des Beaux-Arts Niort, Deux-Sèv-
res) zeigte.
Für seine Umsetzung der Thematik,
greift Albert Anker, auf seine Heimat, das
Dorf Ins im Berner Seeland und dessen
Bevölkerung zurück. Der Ausschank
von warmer Suppe während den kalten
Wintermonaten an Kinder und deren
Familien wird durch Ankers besonderes
Talent der Verbindung von Figur, Raum und
Gegenstand sehr bewegend dargestellt.
Die besondere, zentrierte Lichtwirkung
dramatisiert die lautlose Anspannung der
wartenden Kinder und des Mannes in der
grossen, einfach gehaltenen Küche. In
der Lichtquelle des Raumes und zugleich
immittigen Fokus des Bildes erwartet ein
Mädchen, sich bereits vor Hunger und
wohl auch Vorfreude den Bauch strei-
chend, die ihr zustehende Portion der
heissen Inser Suppe. Dabei ist ihr Blick
konzentriert auf den roten Tonkrug ihrer
Familie gerichtet, der soeben von der
Köchin, die dem Betrachter den Rücken
kehrt, gefüllt wird.
Ankers besondere Behandlung des
Innenraums mit seinen imHintergrund
verschwindenden zahlreichen Küchenu-
tensilien, den schimmernden Kupferpfan-
nen und den traditionellen abgehangenen
Zwiebelketten verleihen demGemälde
seinen realistischen Charakter und eine
vertraute Atmosphäre. Die farbliche Ge-
staltung richtet sich zudem nach Gleyres
Empfehlung, „ein Gemälde auf einen
einheitlichen Grundton abzustimmen und
nur wenig davon abzuweichen“ (ebd. S. 15).
So stechen die wenigen roten Elemente
im Bild besonders hervor und bilden einen
angenehmen Kontrast zu den zahlreichen
Naturfarben.
Anker wollte gemeinsammit der „Armen-
suppe“ auch sein Gemälde „Die Strick-
schule“ für den Salon 1861 einreichen,
jedoch wurden beide Bilder an einer Aus-
stellung zurückgehalten und kurz danach
verkauft. Das Sujet der Armensuppe greift
Anker viele Jahre später, 1893, nochmals
in seinemGemälde „Armensuppe II“ auf
(vgl. Abb 1 .).
CHF 1 200 000 / 1 500 000
(€ 1 111 100 / 1 388 900)
Abb. 1 Die Armensuppe in Ins II, 1893.
Kunstmuseum Bern, Staat Bern.